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Montag, 30. Dezember 2013

Nächste Runde

Und zugleich die letzte Runde in diesem Jahr zu einem unersprießlichen Thema, auch wenn es im neuen Jahr ungebremst weiter gehen dürfte. Was sich schon Mitte des Jahres überdeutlich abgezeichnet hat, fällt immer mehr Leuten auf: Cameron’s internet filter goes far beyond porn – and that was always the plan. Für so ein Vorgehen und die in Kauf genommenen oder von Anfang an beabsichtigten Effekte existieren auch in Europa schon Präzedenzfälle. En passant lässt sich gleich noch mit der Einschränkung der Pressefreiheit drohen. Prompt gibt es mit „Go away, Cameron!“ die erste Browser-Extension zur automatischen Umgehung des britischen Netzfilters – mit dem Nachteil, dass es sich um eine Chrome-Extension handelt.

Anlässlich der Entwicklung in Großbritannien hat einer der drei Autoren mit „Blocking of Material on the Internet“ eine leicht aktualisierte Fassung eines bereits 1997 für ein Gutachten entstandenen wichtigen Artikels zu Netzsperren, Webfiltern und anderen Zensurtechnologien veröffentlicht. Nutzer sollten dabei nicht unterschätzen, dass derartig weit ausgreifende – und im Zweifelsfall im Widerspruch zum Recht auf Informationsfreiheit stehende – Filtermaßnahmen noch eine weitere Fußangel beinhalten: Natürlich können Nutzer (noch) beantragen, den Filter für ihren Online-Anschluss zu deaktivieren. Aber natürlich wird auch registriert, wer denn an „pornografischen, terroristischen, gewalthaltigen“ oder anderweitig inakzeptablen Inhalten interessiert ist. Viel Spaß, wenn dann diese Informationen eine Rolle etwa bei der Auswahl für eine Stelle, bei Gerichtsverhandlungen oder bei Sorgerechtsstreitigkeiten spielen. Auf einen weiteren Aspekt weist Patrick Breitenbach in „Verbannung und Hyperzivilisierung im Netz“ hin: Soziale Kontrolle und Zwang zur Konformität funktionieren auch aus der Masse heraus und durch die Masse.

Montag, 23. Dezember 2013

Danäergeschenke

Weihnachten ist nahe, doch es empfiehlt sich, nicht alles zu öffnen, was schön verpackt ist: Da gibt es etwa das Transatlantische Freihandelsabkommen, das Urheber auf wieder eine neue Art enteignet und demokratische Mechanismen und Institutionen über institutionalisierten Lobbyismus und Geheimverhandlungen aushebelt (deutsche Übersicht).

Wie befürchtet, sind in Großbritannien die „Pornofilter“ – obwohl von der Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt – eingeführt worden, und natürlich funktionieren sie nicht: Zu den ersten Kollateralschäden gehören Websites für Sexualaufklärung und Hilfeseiten für Missbrauchsopfer. Aber das mag nicht nur ein weiterer Beleg dafür sein, dass das Scunthorpe-Problem immer noch ungelöst ist, sondern lässt auch eine Strategie vermuten, soziale Kontrolle zu instrumentalisieren.

Andernorts sieht es nicht besser aus. In Deutschland wird eine erklärte Gegnerin des Datenschutzes die neue oberste Datenschützerin, während auch andere Böcke zu Gärtnern gemacht werden. Überhaupt ist es interessant zu sehen, welcher Lobbyist wo an den Hebeln sitzt. Italien reiht sich mit einem neuen Gesetz zur Internet-Zensur in den Reigen ein.

Das Problem der Überfilterung illustrieren einige aktuelle Fälle. So reichen ein Umlaut und ein Computerfehler, zwei Schweizer Comic-Autoren zu Terrorverdächtigen zu machen, und auch ein Name mit einer verdächtigen Silbe reicht für eine Netzsperre. Nichts Neues unter der Sonne.

Ach ja: Google ist abermals einen Schritt näher an Skynet.

Sonntag, 15. Dezember 2013

Das war erst der Anfang

Keine Überraschung – es geht weiter: Ein neues Facebook-Patent beschreibt, wie sich ein soziales Netzwerk analysieren lässt, um unberechtigte Inhalte zu finden, und zeigt dabei, wie viele Erkenntnisse sich alleine aus Bewegungsdaten und anderen Metadaten gewinnen lassen. Der Artikel nennt noch einige andere Unternehmen mit entsprechenden Ideen und Patenten. Wie das Ganze technisch funktioniert, erläutert eine neue Serie, beginnend mit How-To Analyze Everyone – Teil Ia: Basics der Handyortung. Detaillierter und mit vielen Beispielen schlüsselt das die ACLU in Meet Jack. Or, What The Government Could Do With All That Location Data auf. Wie wahr:

„Die NSA-Sachen machen in erster Linie eines deutlich: Die Unterscheidung zwischen ‚Meta’-Daten und ‚Daten’ ist sinnlos und muss aufhören: Es gibt nur Daten.“

In seinem Buch Geheimdienste und Bürgerrechte macht sich Thomas Stadler Gedanken darüber, wie Geheimdienste bürgerliche Freiheiten und Menschenrechte unterminieren, und warum das immer noch so wenige Menschen interessiert.

In Der totale Vertrauensverlust – warum wir alle Paranoiker sind plädiert Peter Schneider für Misstrauen als erste Bürgerpflicht gegen Überwachung, weil der Missbrauch systemimmanent und inzwischen jeder zum Ziel geworden ist. Oder, wie es Roland Mieslinger zusammenfasst:

„Wer jetzt immer noch nicht verstanden hat, dass die Vorratsdatenspeicherung den Geheimdiensten mehr nützen wird als jede andere Maßnahme inklusive Fluggastdatenübermittlung, Swift-Datenübermittlung, Safe-Harbor usw., ist noch nicht im 21. Jhdt. angekommen und darf in diesem Land keine Verantwortung übernehmen.“

Derweil sind auch Cookies ein möglicher Angriffsvektor für Überwachung (Erklärung und Kommentare). Und Grenzen für Begehrlichkeiten aus der Ecke? Sie belieben zu scherzen, Mr. Bond – vgl. NSA-Regeln für EU-Daten und SWIFT: EU-Kommission übergeht Parlament. Frankreich mischt übrigens auch mit und bemüht sich, England einzuholen und zu überholen: Will French Parliamentarians Consent to a Democratorship?.

Da kann man sich mittlerweile auch in nicht-einschlägigem Zusammenhang die Empfehlung des ErosBlogs zu Herzen nehmen – PSA: It’s Time To Tape Over Your Webcam Lens – und staunend feststellen, dass die Realität mittlerweile jede Fiktion überholt. Würden Sie von dieser SPD-Schachtel einen Bürgerrechtseingriff kaufen? Nicht? Pech, trotzdem verloren.

Mittwoch, 11. Dezember 2013

Fragestunde rund um Seile, Fesseln & Co.

Vor einiger Zeit stand ich in einem Themenchat rund um Bondage Rede und Antwort. Da einige der Fragen immer wieder kommen, habe ich die Antworten an dieser Stelle noch einmal aufbereitet:

Wenn die Hände anfangen, taub und kalt zu werden: Ist das ein klares Zeichen, dass die Fixierung zu eng ist, oder gehört das dazu?

Zunächst einmal: Kalt und taub ist nicht gut. Die Durchblutung sollte nicht abgeschnürt werden, und auch bei wirksamer Bondage passt normalerweise noch ein Finger zwischen Handgelenk und Seil. Lagebedingt kann einmal ein Körperteil einschlafen – aber das sollte sich nach einem Positionswechsel nach kurzer Zeit geben. Deshalb sollte Rigger/Top zwischendrin auch immer prüfen, dass die Extremitäten nicht kalt werden und Begünstigte/Bottom z. B. Finger und Zehen immer noch kontrolliert bewegen oder Tops Hand fassen kann. „Blau anlaufen“ ist so ein Thema … Je nach Physiologie werden durch gestautes Blut die verschnürten Extremitäten schnell dunkler. Aber zwischen „etwas dunkler“ und „richtig blau“ ist ein weites Feld. Deshalb gilt hier;

  1. Aufpassen,
  2. individuell austesten,
  3. vorsichtig sein und
  4. aufpassen, immer noch.

Bei mir werden relativ schnell Zehen oder Finger dunkel, aber noch lange nicht taub. Und wenn z. B. die Hände taub werden, hat das oft an anderen Stellen die Ursache, etwa über dem Ellenbogen. Ist das „normal“ oder öfter so?

Das kommt häufiger vor, und die Ursache kann natürlich auch weiter weg von den Symptomen liegen. Typisch sind z. B. Beschwerden bei den Händen, die wegen zu enger Seile an den Oberarmen verursacht werden. Die Ursachen sind dabei vielfältig. Die Bondage kann kann einfach zu fest sein, oder das Seil liegt zu dicht am Gelenk oder läuft so ungünstig, dass ein Nerv oder ein Blutgefäß gedrückt wird. Es kann auch lagebedingt sein, weil man z. B. auf dem Rücken liegt und damit auf den Armen, die wiederum dadurch in eine andere Form gepresst werden und deshalb dann die ursprüngliche Seilwicklung nicht mehr so locker ist. Oder aber Extremitäten schwellen im Lauf einer Session an, und deshalb wächst der Druck auf bestimmte Stellen.

Abhilfe: Erst mal allgemein mit Anatomie befassen, wissen, wo Risiko- und Schmerzpunkte sind, dann individuell mit dem Partner schauen und testen – jeder hat seine eigenen empfindlichen Stellen. Taubheit oder Schmerzen kommen irgendwann bei einer längeren Session mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit wegen der genannten Umstände. Deshalb nochmal: Als Rigger zwischendrin immer prüfen, ob es noch geht, als Begünstigte(r) lieber rechtzeitig melden und abbrechen.

Wenn Zug auf den Seilen ist, sollte das Seil dann eine Seele haben oder keine?

Das ist bei normaler Bondage eher Geschmackssache und zum Teil materialabhängig. Seil mit Seele hat einen separaten Kern (anderes Material, andere Flechtung o. ä), was die Eigenschaften des Seils beeinflusst. Baumwollseil ohne Seele etwa ist schön kuschelig weich, dafür ziehen sich die Knoten stark zu. Baumwollseil mit Seele ist fester, man kriegt dafür die Knoten leichter wieder auf. Paracord oder Ranger- bzw. Commando-Seil hat meist eine festere Seele und eine weichere Außenschicht. Das hält gut, die Knoten halten gut, aber gehen auch wieder leichter auf. Hanfseile und andere Naturfasern haben meist keine Seele und halten gut, Bergsteigerseil mit Seele ist sehr steif. Wenn es um „Zug“ in Bezug auf Suspension Bondage geht: Da sollte das Seil einfach ausreichend (mit Sicherheitsreserve!) stabil sein, egal, ob mit oder ohne Seele.

Wie lange sollte eine Bondage-Session bei unerfahrenen Partnern gehen?

Das kommt darauf an – auf die eigenen Grenzen, auf die Art der Bondage, da spielen viele Faktoren hinein. Ein massiver Hogtie kann nach fünf Minuten zu viel sein; ich hatte aber auch schon Einsteigerinnen in den Seilen, die nach zwei Stunden enttäuscht waren, dass sie schon wieder herausmussten. Wie immer bei BDSM gilt auch hier: Reden, Kommunizieren, immer abfragen, ob es noch passt (per Ampelregel oder direkt), und als Rigger auf Signale achten und lieber abbrechen, bevor Bottom in den Absturz läuft. Manchmal triggern bestimmte, scheinbar geringfügige Dinge einen Absturz. Augenverbinden kann z. B. eine bis dahin problemlose Session kippen lassen. Ich habe auch einmal einen Fall mitbekommen, da war eine superfeste Verschnürung völlig o. k. – bis die Dame auf den Bauch gedreht wurde, dann kam ohne Vorwarnung und sofort ein Panikanfall mit entsprechendem Abbruch der Session.

Gibt es ergonomisches Bondage, wenn z. B. bereits Probleme mit der Hüfte bekannt und Rückenschmerzen oder Hüftschmerzen nach einer Session programmiert sind, und man danach nicht mehr laufen kann? Gibt es da schonende Techniken? Oder liegt das an falscher Anwendung?

Ich würde dann zunächst eine andere Bondage-Position wählen, weil die Beschwerden dadurch verursacht werden, dass Körperteile in die falsche Richtung gestreckt oder gedehnt werden. Wenn ausgerechnet die individuelle Lieblingsposition die Probleme auslöst, dann kann man die weniger straff schnüren, mit „Abstandshaltern“ und ein wenig Zappelfreiheit. Ein komplett festgeknallter Spreadeagle lässt sich auch nicht so lange aushalten wie ein etwas lockerer, bei dem Begünstigte (ohne Chance auf Befreiung) ihre Position etwas ändern kann. Auch hier hilft es, seine Knoten zu beherrschen und öfter zu üben.

Sonntag, 8. Dezember 2013

Was zum Spielen

Nicht nur auf Szene-Partys und in Foren stößt man auf Verfechter des Einzig Wahren BDSM. Manche Vertreter dieser Denkrichtung bringen ihre Weisheiten auch als Experten (Ahem) in Workshops unters Volk. Via Island of Pain bin ich auf das BDSM Workshop Bingo! von maymay gestoßen. Diese einschlägige Bullshit-Bingo-Variante ist eine gute Checkliste, um die Kompetenz des Dozenten unter die Lupe zu nehmen.

Zwischenstand, punktuell

Kurze Fortsetzung der unrühmlichen Geschichte:

Da es gerade zur Saison passt: Mit Adventszeit mit der NSA: Die vorweihnachtliche Überwachungs-Überraschung ruft der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung mit einem Türchen pro Tag Äußerungen von Politikern und anderen Beteiligten in Erinnerung, jeweils ergänzt um die Wahrheit, die anschließend herausgekommen ist.

Samstag, 30. November 2013

Volle Packung

Ich bin mal wieder spät dran. Zu viel um die Ohren, aber weil es wichtig ist: Einige Leseempfehlungen mit einem Überblick, was seitdem passiert ist.

Die NSA-Überwachung, kurz gefasst und leicht verständlich dank des Guardians – The NSA and surveillance … made simple (Guardian):

Apropos geschlossene Ökosysteme und nationale Lösungen – falls irgendjemand glaubt, dass das hilft und den staatlichen Datenhunger bremst: Jürgen „tante“ Geuter hat recht mit seinem Fazit #Schlandnet ist IT-Paradies durch Wollen (glaubt die FAZ), ebenso mit den sich daraus ergebenden Konsequenzen. Und sind erst einmal Überwachungs- und Zensurinfrastrukturen etabliert, wachsen natürlich die Begehrlichkeiten:

Dass stetige Überwachung jegliche Abweichung vom Mainstream und jeglichen Protest unter Generalverdacht stellt und im Gegenzug die Bürger dazu erzieht, ja nicht über die Stränge zu schlagen und auch sonst nicht aufzufallen, ist einkalkuliert. In Bayern etwa scannt die Polizei großflächig Autokennzeichen und verteidigt diese Maßnahme nicht nur. Sie gibt Kritikern gegenüber sogar zu, dass der Abschreckungseffekt einkalkuliert ist, um etwa Bürger von der Teilnahme an Demonstrationen abzuhalten. Versammlungsrecht ist ja sowas von 80ies. Die Gängelung geht nicht nur von staatlichen Stellen aus und dringt immer tiefer in die Privatsphäre ein:

Persönliche sexuelle Vorlieben sind auch heute noch ein guter Ansatzpunkt, um Menschen zu diskreditieren und auf Linie zu bringen. Und natürlich gibt es auch in der Hinsicht interessierte Kreise, denen jegliche Kollateralschäden egal sind und die sich die Welt lieber nach eigenem Gusto zurechtschnitzen; mehr dazu bei Don Alphonso und Kitty Koma.

Kleiner Nachtrag: Inzwischen merkt selbst Google, dass die Zwangsheirat von Google+ und Youtube eine selten dämliche Idee war.

Sonntag, 17. November 2013

Spiel mit dem Feuer

Schmerz und andere Sinnesreize lassen sich beim BDSM-Spiel auf unterschiedlichste Weise erzeugen. Nadeln stechen, Strom prickelt mehr oder weniger heftig, und mit medizinischem Alkohol lässt sich nicht nur desinfizieren, sondern auch etwa ein leichter Kratzer deutlicher spürbar machen. Wer dies im SSC-Rahmen ausprobieren will, sollte allerdings neben den Grundregeln für den sicheren Einsatz dieser Utensilien Physik und Chemie nicht außer Acht lassen: The Perverted Negress schildert am konkreten Fall, was ansonsten bei dieser Kombination alles schiefgehen kann, und hat dazu gleich noch ein weiteres Beispiel für heiße Missgeschicke bei der Session, sobald Feuer im Spiel ist.

Fortsetzung unvermeidbar

Natürlich geht es auch damit weiter – aus Zeitgründen wieder im Schnelldurchlauf, ich komme ja eh kaum hinterher:

Der Guardian zeigt in NSA Files: Decoded umfassend und übersichtlich, was die Enthüllungen für jeden bedeuten, der auf heute üblichen Wegen kommuniziert. Sicherheits- und Kryptographie-Experte Bruce Schneier erläutert, was es mit dem Machtkampf im Internet auf sich hat und wo die Fronten verlaufen. Eben Moglen, Jura-Professor an der Columbia University und Gründer des Software Freedom Law Center, befasst sich in der Vortragsreihe Snowden and the Future mit den Themen, wie Edward Snowden die Geschichte verändert hat, wie die Entwicklung der Überwachungstechnologien seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs zur Gefahr für die Demokratie geworden ist, und welche Konsequenzen sich daraus ergeben, dass Informationen so mächtig geworden sind und sich so schnell verbreiten können.

Während inzwischen selbst der Autor des Patriot Act der Ansicht ist, dass die NSA außer Kontrolle sei, sehen auch andernorts Politiker an den Schalthebeln der Macht keinen Anlass, den Überwachern Zügel anzulegen – im Gegenteil: Der englische Premierminister David Cameron will wegen der Enthüllungen die Pressefreiheit einschränken und droht wenig verklausuliert mit Strafmaßnahmen gegen unbotmäßige Journalisten und Medien. Das deutsche Innenministerium wiederum hat – ist ja bald Weihnachten – seine eigene Wunschliste für mehr Grundrechtsabbau und Überwachung.

Aktionismus und Ausbau der eigenen Pfründe statt wirksamer Maßnahmen scheinen das Gebot der Stunde. Die Deutsche Telekom etwa bringt ein nationales Internet ins Gespräch, das sehr an China oder den Iran gemahnt, aber nicht das Problem löst, dessen Teil die Telekom ohnehin ist. Kristian Köhntopp erklärt beispielhaft, warum das Quatsch ist. Jürgen Geuter alias tante hat den passenden Kommentar zu diesem Unfug und gibt mit dem Weltnetzsuchantrieb einen Vorgeschmack auf die Dinge, die dann kommen könnten.

Die Befürchtungen, dass als Folge der NSA-Affäre eine Balkanisierung des Internets droht, wachsen zunehmend. Dabei ist das definitiv kein geeignetes Konzept für mehr Datenschutz und Datensicherheit. Es wird Zeit, sich das Internet zurückzuholen. Auch der Europarat hat inzwischen eine Deklaration für Freiheit im Internet entworfen. Überlegenswert, auch wenn sich dieses Gremium in der Vergangenheit zu diesem Thema nicht mit Ruhm bekleckert hat.

Wer immer noch glaubt, dass ihn das Thema im Alltag nicht berührt, sollte sich die PEN-Studie zur Selbstzensur durch Massenüberwachung ansehen. Wie das außerhalb des Netzes funktioniert, beleuchtet An Ex-Cop’s Guide to Not Getting Arrested: Als Bürger macht man sich am besten unsichtbar, um nicht ins Visier einer Polizei zu geraten, die zunehmend nicht als Freund und Helfer, sondern als die größte Gang der Stadt agiert. Kann alles nicht passieren? Das EU-Projekt INDECT steht kurz vor seiner Fertigstellung und verspricht automatisierte Audio- und Videoüberwachung des öffentlichen Raums inklusive des Profilings „verdächtiger“ Bewegungen und damit verbunden weitreichende Online-Überwachung. Parallel dazu erscheint das transatlantische Freihandelsabkommen TAFTA um so mehr als Alptraum für die Demokratie, je mehr Details dazu bekannt werden.

Über Googles enger werdende Umarmung habe ich bereits mein Unbehagen geäußert. Die neuesten Maßnahmen zur Zwangsbeglückung und vorauseilender Gehorsam machen mir das Unternehmen nicht sympathischer. Man muss nicht der Gründer von Youtube sein, um den neuen Google+-Zwang negativ zu finden. „My Thoughts on Google+“ sagt es so treffend wie eingängig:

Genau.

Dienstag, 29. Oktober 2013

Spione, Politiker und andere Aufreger

Wer hätte das gedacht: Auch anerkannte Jugendschutzfilter taugen nichts, sondern sind ein Griff ins Klo. Warum wundert mich das nicht? Ach ja, deshalb, deshalb, deshalb, deshalb, deshalb oder deshalb.

Grundsätzliche Probleme wie Überfilterung und Slippery Slope sind jedoch egal, wie wieder einmal das Beispiel England zeigt. Dort schießen Rechteinhaber mit geheimen Blocklisten ungerührt auch legale Seiten aus dem Netz – ohne Prüfung und ohne Möglichkeit zum Widerspruch.

In Fortsetzung der anscheinend unendlichen Geschichte von Angriffen, Eingriffen und Begehrlichkeiten: Während das Lavieren der Politik immer mehr zur Lachnummer wird, macht Kai-Uwe Steffens unter dem Titel „Umfassende Überwachung raubt der Weltbevölkerung ihr Recht auf Privatheit“ noch einmal die Tragweite des Problems klar. Wer angesichts dessen meint, dass Privatsphäre ein überholtes Konzept ist, muss sich von John F. Nebel in Privatsphäre Z die Konsequenzen vor Augen halten lassen:

„Ich behaupte, dass es unmöglich ist, zu antizipieren, welche freiwillig oder unfreiwillig preisgegebenen Daten mir irgendwann in der Zukunft auf die Füße fallen werden.

Denn die Mechanismen, was einem auf die Füße fallen könnte, sind einerseits nicht durchschaubar, weil sie in der Zukunft liegen und auf der anderen Seite auch heute schon absolut intransparent und willkürlich.“

Oder präziser:

„Am Konzept der Privatsphäre hängt:

  1. die Freiheit zu denken und zu sagen, schreiben, machen was man will.
  2. das Versprechen frei von Diskriminierung und Sanktion zu sein.
  3. ein Ausgleich gegenüber der Macht und Gewalt des Staates.

Fehlt Privatsphäre, müssen wir fürchten, dass abweichendes Denken und Handeln noch stärker zu Diskriminierung und Sanktion führt. Dabei wird der Rahmen, was zu Sanktionen oder Diskriminierungen führt, immer durch Herrschaftsverhältnisse definiert werden.

Das Ende der Privatsphäre, wie wir es gerade erleben, ist in diesem Sinne eine totale Niederlage. Wir haben die Privatsphäre verloren, ohne dass sich an Hierarchien, Herrschaft und Kontrolle etwas verändert hätte. Im Gegenteil sogar zementiert sich Herrschaft durch den Verlust der Privatsphäre. Sie baut ihre Macht auf unsere Kosten aus – und es wird immer schwieriger diese zurück zu gewinnen.

Thomas Stadler setzt sich ebenfalls mit der Post-Privacy-Falle auseinander:

„Das Gegenteil von Privacy ist die Transparenz aller Daten. Transparenz bedeutet Kontrolle. Aus diesem Grunde muss der freiheitlich-demokratische Staat, der vom Spannungsverhältnis Staat-Bürger geprägt ist, dafür sorgen, dass die öffentliche Gewalt transparent agiert und maximal kontrolliert wird, während dem Bürger die größtmögliche Intransparenz zuzubilligen ist. Wer das Ende der Privatheit propagiert, ermöglicht damit den gläsernen und transparenten Bürger.“

Auch Bruce Schneier befasst sich damit, wie die aus unterschiedlichen Strategien erwachsenen Überwachungsmethoden von Staat und Wirtschaft zu einer Einheit verschmolzen sind, mit entsprechenden Folgen:

„Moore’s law has made computing cheaper. All of us have made computing ubiquitous. And because computing produces data, and that data equals surveillance, we have created a world of ubiquitous surveillance.

Now we need to figure out what to do about it. This is more than reining in the NSA or fining a corporation for the occasional data abuse. We need to decide whether our data is a shared societal resource, a part of us that is inherently ours by right, or a private good to be bought and sold.“

Wenig überraschend – die NSA sammelt Kontaktlisten aller Art wie E-Mail-Adressbücher, Messenger-Verzeichnisse, Freundeslisten mit dem großen Schleppnetz bei Google, Yahoo, Microsoft, Facebook und vielen anderen ein. Wie dies und anderes in der Praxis funktioniert, zeigt das Video How the Government Tracks You: NSA Surveillance im Schnellüberblick:

Währenddessen schließt man in Europa faule Kompromisse mit Hintertüren oder ignoriert Themen wie Datenschutz und Bürgerrechte gleich ganz. Lesenswert in diesem Zusammenhang das Interview mit Peter Schaar, dem jetzt in den Ruhestand verabschiedeten langjährigen deutschen Bundesdatenschutzbeauftragten.

Mittlerweile ist es nicht mehr schwer, Nutzer über den „Fingerabdruck“ ihres Browsers ganz ohne Cookies zu identifizieren und zu verfolgen. Die eigene Datenspur im WWW lässt sich mit dem Firefox-Addon Lightbeam anschaulich darstellen. Die neue Erweiterung bietet ähnlich wie Ghostery außerdem die Möglichkeit, Cookies, Tracker und Seiten zu blockieren. Vor kurzem hatte ich bereits auf einige Tipps zum Spurenverwischen verwiesen. Aktuell listet die Electronic Frontier Foundation zehn Maßnahmen gegen Internet-Überwachung auf, die jeder umsetzen kann und sollte.

Derweil hat Mozilla-Chefentwickler Brendan Eich in The Bridge of Khazad-DRM die Entscheidung des World Wide Web Consortiums massiv kritisiert, Kopierschutzverfahren in die HTML-Spezifikation aufzunehmen.

Dienstag, 15. Oktober 2013

Dumm gelaufen

Die Grenzgängerin schildert aktuell eine etwas aus dem Ruder gelaufene Selfbondage. Auch wenn nichts Ernsthaftes passiert ist: Eine gute Erinnerung daran, dass gewisse Sicherheitsregeln durchaus sinnvoll sind.

Entmachtung für Fortgeschrittene

Der Schriftsteller und Journalist John Lanchester hat vom „Guardian“ Einblick in die von Edward Snowden öffentlich gemachten NSA-Dokumente erhalten – und ist erschüttert. Nicht nur über Breite und Tiefe der staatlichen Überwachung, sondern auch über die gesellschaftlichen Folgen. Nach der Lektüre ist er überzeugt, dass Großbritannien auf dem schlimmsten Weg in eine Überwachungsgesellschaft neuen Typs ist. Und er erinnert seine Leser daran, dass ein Polizeistaat nicht an offensiver Polizeipräsenz im Stil einer Bananenrepublik erkennbar ist und ein Überwachungsstaat ebenso unsichtbar agiert:

„People misunderstand what a police state is. It isn’t a country where the police strut around in jackboots; it’s a country where the police can do anything they like. Similarly, a security state is one in which the security establishment can do anything it likes.

We are right on the verge of being an entirely new kind of human society, one involving an unprecedented penetration by the state into areas which have always been regarded as private. Do we agree to that? If we don’t, this is the last chance to stop it happening. Our rulers will say what all rulers everywhere have always said: that their intentions are good, and we can trust them. They want that to be a sufficient guarantee.“

Finde den Fehler: Snowden: DOJ Won’t Prosecute Official For Lying, But Will Stop At Nothing To Persecute Someone For Telling The Truth.

Auf tagebau.com erläutert Kai Biermann in Leben im Überwachungsstaat, „warum wir das dunkle Monster Geheimdienste in unserer Mitte nicht länger ignorieren dürfen“.

Die Wissenschaftlerin und Datenschutzexpertin Sarah Spiekermann erläutert in „Snowden und der Kindergarten des elektronischen Zeitalters“, dass Datenschutz und Privatsphäre wichtiger sind als je zuvor und fordert mit Recht das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gegenüber dem Staat ebenso wie gegenüber Unternehmen ein. Direkt daneben projiziert Peter Glaser die Folgen der „Superkontrolle“: Ausblicke in die Zukunft der Überwachung: Privatsphäre als Snobismus, offensive Schamlosigkeit – und das absolut Unkontrollierbare.

Das bereits neulich erwähnte Problem der Einbaus von Digital Rights Management in die HTML-Spezifikation hat Simon St. Laurent in „What Do We Get for That DRM?“ aufs Korn genommen: Nutzer werden a priori als Diebe betrachtet und als so wenig vertrauenswürdig, dass man ihnen ihre eigenen Geräte wegnehmen muss. Und Programmierer und Entwickler, die das Internet als offen verstehen, stehen mit einem Bein im Gefängnis.

Passend dazu die Enthüllung, dass Amazon entgegen anderslautender öffentlicher Behauptungen zu den treibenden Kräften gehört, die die DRM-Verkrüppelung von E-Books durchsetzen. Das bestätigt mich darin, keine E-Books zu kaufen.

Freitag, 4. Oktober 2013

Zugeschnürte Zukunft

Das World Wide Web Consortium (W3C), das die Standards für das WWW festlegt, hat beschlossen, in die kommende HTML-Spezifikation auch Digital Rights Management in Form der „ Encrypted Media Extension (EME)“ einzuschließen. Die Electronic Frontier Foundation erklärt, warum es keine gute Idee ist, so etwas in Browser zu verbauen und ein „DRM-HTML“ zu schaffen: Der Anwender gibt die Hoheit über seinen Rechner an beliebige Dritte ab. Er verliert damit die Kontrolle, was er im Web machen kann, sein Browser gehorcht nicht mehr ihm – ein weiterer Schritt hin zum Abschied vom freien und offenen Internet. Abgesehen davon ist so etwas ein Türöffner, der weitere Begehrlichkeiten weckt. Die EFF hat getreu dem alten Spruch „Das Internet erkennt Zensurversuche als Fehler und routet um sie herum“ einen Bug Report bei der Mozilla Foundation abgeliefert, die den Firefox weiterentwickelt.

Ebenfalls lesenswert ist der EFF-Artikel „The NSA is Making Us All Less Safe“: Hier wird deutlich, wie sehr Überwachung, Hintertüren und Schwächen von Sicherheitsverfahren nicht nur die Computersicherheit auf allen Ebenen verringern, sondern auch unser Vertrauen in Computer zerstören – in einer Zeit, in der Computer allgegenwärtig sind und jeden Aspekt unseres Lebens beeinflussen. Beides sind Mosaiksteinchen wie Trusted Computing, das selbst ein Beispiel für Orwellsches Neusprech ist und letztendlich bedeutet, dass der Anwender seinem Computer nicht mehr vertrauen kann.

Die Grenzen von Freiheit und Freizügigkeit werden auch an anderer Stelle enger gesetzt. So plant die Europäische Union, mit Hilfe ihres „Smart Borders“-Projekts alle einreisenden Nicht-EU-Bürger zu registrieren und zu tracken (deutschsprachiger Überblick). Und der Schriftsteller Illija Trojanow musste erfahren, dass Kritik am NSA-Überachungsprogramm zu einem Einreiseverbot in die USA führen kann.

Immerhin ist nicht jeder bereit, zu kuschen. Sicherheitsexperte Bruce Schneier beschreibt in seinem Vortrag „The Battle for Power on the Internet“ auf der TEDxCambridge 2013 die Herausforderungen der nahen Zukunft:

Kevin Poulsen zeichnet in WIRED nach, wie sich Lavabit-Gründer Ladar Levison gegen die Zumutungen der Staatsmacht wehrte, als die Einblick in die Kommunikation Edward Snowdens forderte und dann im Rundumschlag Zugriff auf alle Kundenkonten des E-Mail-Anbieters haben wollte.

In der Initative Privacy not Prism haben sich Bürgerrechtsinitiativen, Verbände und Aktivisten zusammengeschlossen, um die britische Regierung wegen ihrer Überwachungsmaßnahmen vor dem EU-Gerichtshof für Menschenrechte zu verklagen. Nur zur Erinnerung: Jeder ist im Fadenkreuz:

Nicht aufgeben.

Montag, 30. September 2013

Knackt die Black Box

Marc Scott zeigt in Kids Can’t Use Computers … And This Is Why It Should Worry You auf, wie oberflächlich reduzierte Komplexität, Desinteresse, geschlossene Systeme und schlechte Ausbildung dazu beigetragen haben, eine Generation von Computer-Analphabeten heranzuzüchten. Seine – plausible und mit vielen Beispielen begründete – Position: Gerade die jungen, angeblich so internet-affinen und technisch versierten Nutzer können mit Computern nicht mehr wirklich umgehen und sind verloren, wenn das Anklicken bunter Knöpfchen nicht mehr funktioniert:

„They can use YouTube and Pinterest. They even know how to use Word and PowerPoint and Excel. Ask them to reinstall an operating system and they’re lost. Ask them to upgrade their hard-drive or their RAM and they break out in a cold sweat. Ask them what https means and why it is important and they’ll look at you as if you’re speaking Klingon.

They click ‘OK’ in dialogue boxes without reading the message. They choose passwords like qwerty1234. They shut-down by holding in the power button until the monitor goes black. They’ll leave themselves logged in on a computer and walk out of the room. If a program is unresponsive, they’ll click the same button repeatedly until it crashes altogether.“

Und warum ist das so schlimm? Weil Computer inzwischen jeden Teil unseres Lebens beherrschen, wie sehr, zeigen die aktuellen Entwicklungen bei Überwachung und Zensur. Und die Entscheider von morgen haben keine Ahnung:

„Tomorrow’s politicians, civil servants, police officers, teachers, journalists and CEOs are being created today. These people don’t know how to use computers, yet they are going to be creating laws regarding computers, enforcing laws regarding computers, educating the youth about computers, reporting in the media about computers and lobbying politicians about computers.“

Ich kann Scotts Befürchtungen nachvollziehen, und ebenso seinen Aufruf:

„I want the people who will help shape our society in the future to understand the technology that will help shape our society in the future. (…) Let’s build a generation of hackers.“

Man muss ja kein Motherboard zusammenlöten können – aber Grundwissen ist für fundierte Entscheidungen und das Abschätzen von Risiken einfach hilfreich.

Donnerstag, 12. September 2013

Der Nächste, bitte!

Das Fachblatt für Angst, Hass, Titten und den Wetterbericht versucht sich schon zum zweiten Mal in kurzer Zeit in maximaler Empörung, um einem Politiker im Wahlkampf eine reinzuwürgen, dessen sexuelle Vorlieben nicht massenkompatibel sind. Diesmal hat es jemand von einer der etablierten Parteien getroffen: Der Landtagskandidat hatte in einer großen einschlägigen Community ein Profil und suchte dort auch Spielpartnerinnen. Bild.de (kein Link, aus Gründen) machte deshalb ein großes Fass auf und outete den Politiker und seine Frau in atemloser Hysterie gleich mit. Genüsslich wird das Profil zitiert und mit Screenshots garniert, und angesichts der vielen eingefügten Anmerkungen und Ausrufezeichen wird deutlich, wie da versucht wird, Ressentiments zu schüren.

Die Strategie ist nur zu bekannt. Abgesehen davon, dass es hier um das Privatleben geht, sich kein Bezug zum angestrebten Amt finden lässt und das Boulevard-Opfer sich offenbar bemüht hat, private Dinge privat zu halten: Wie schon öfter werden fröhlich Persönlichkeitsrechte ebenso ignoriert wie Urheberrechte. Dazu kommt, dass da eine deutsche Zeitung für ein deutsches Publikum lang und breit über eine Community berichtet, die in Deutschland auf dem Index steht und nicht beworben und verlinkt werden darf.

Hinzu kommt, dass sowohl der Politiker als auch seine Frau dort nicht mit Klarnamen unterwegs und damit nicht einfach so zu finden waren. Der Betroffene vermutet eine ehemalige Mitarbeiterin als Tippgeberin. Unter „dumm gelaufen“ fällt, dass das Profil nicht nur für Mitglieder der Community sichtbar war, sondern nach einem zusätzlichen Klick auch für Besucher von außen – und mit einem eindeutig zuzuordnenden Foto versehen war.

Auch hier gilt allerdings: Was interessiert mich das Privatleben von jemanden, solange es unter SSC-Kriterien läuft, nicht im Widerspruch zum öffentlichen Auftreten steht und keinen negativen Einfluss auf Arbeit und Amt hat? Aber Bigotterie und Heuchelei bringen ja Auflage.

Montag, 9. September 2013

Billige Empörung

Eine junge Frau hat Interesse an Seilen und anderen einschlägigen Dingen. Sie besucht einen Workshop zum Thema und lässt sich nicht nur verschnüren, sondern auch fotografieren. Der Fotograf stellt die Bilder ohne großartige Rückfrage ins Netz, die Frau ist darauf unschwer identifizierbar. So weit, so dumm gelaufen. Spannend wird das Ganze dadurch, dass die Betreffende eine deutsche Landtagsabgeordnete ist: Prompt wird von interessierter Seite versucht, die Bilder und natürlich auch das Privatleben der Frau zu instrumentalisieren.

Das Ganze wird zum Lehrstück darüber, wie manche klassischen Medien immer noch mit Themen wie BDSM und Bondage umgehen. Eine auf Angst, Hass, Titten und den Wetterbericht spezialisierte Boulevard-Zeitung hat die Vorlage in bewährter Manier aufgegriffen, um sie unter Rückgriff auf das gesunde Volksempfinden, oder was die Macher dafür halten, als Munition gegen den politischen Gegner zu benutzen. In der Hoffnung, dass die Gesellschaft mittlerweile nicht mehr so verklemmt ist: Zum versuchten Skandal wurde der „Vorfall“ (sic!) ja erst durch die Zeitung mit den vier Buchstaben, die versucht hat, sich und andere zu empören – und über die Reputation der „Bild“ ist glaube ich keine Diskussion nötig. Dass ausgerechnet bild.de (kein Link, Ihr wisst schon, warum) die Fotos ins Netz hängt und gleichzeitig behauptet „die Fotos im Netz wurden inzwischen gelöscht“ spricht für sich.

Was Jasmin Maurer und ihre Bilder angeht: Das war zunächst ihre Privatsache und entweder dumm gelaufen, nicht mitgedacht oder Absicht gewesen – es gibt ja auch das hier erwähnte Beispiel von Wahlwerbung. Sie und ihre Partei sind jedenfalls in die Vorwärtsverteidigung gegangen. Zur beispielsweise in einem Forum halb ironisch gestellten Frage „Darf die das denn?“: Natürlich darf sie – zum echten Skandal würde es erst, wenn die Dame öffentlich christkatholisch gegen „die Perversen“ wettern würde und sich dann als solche erwischen lassen würde, wie es in den USA ja schon öfter bei Politikern und Predigern mit Anti-Gay-Agenda vorgekommen ist. Oder wenn sie die Kosten des Workshops als dienstliche Ausgabe abgerechnet hätte.

Ob es in Zeiten wie diesen taktisch klug ist, kommt auf die eigene Lebensplanung und Einstellung an. Erpressbar ist sie mit dieser Vorliebe jedenfalls nicht mehr. Natürlich könnte es sich bei dem Outing über Bande gerade in Wahlkampfzeiten auch um ein taktisches Manöver gehandelt haben. Ansonsten haben sich die Piraten mit ihrer „Arbeit“ (sprich: den ganzen Unfug, den diverse Amtsträger und Arbeitskreise lautstark verbrochen haben) als politischer Partei in der letzten Zeit ohnehin so nachhaltig selbst demontiert, dass das Privatleben von Mitgliedern keine große Rolle mehr spielt, jedenfalls keine wahlentscheidende.

Mittwoch, 31. Juli 2013

Rotlicht-Einsätze

Eher ein Sommerlochfüller, doch ganz putzig: Laut CNN sorgt „Fifty Shades Of Grey“ (vermutlich samt zugehörigem Merchandising) gerade für Arbeitsspitzen bei der Londoner Feuerwehr. Die muss in letzter Zeit vermehrt Leute aus Handschellen und anderen Zwangslagen befreien.

Wenn die Leute auch immer Blechschrott statt richtiger Handschellen kaufen.

Aber …

Toaster?

Wirklich? WTF?

Morbus Kobold ist hingegen ja schon etwas länger dokumentiert. *veg*

Freitag, 24. Mai 2013

Wie man es nicht macht

Man fixiert seine Partnerin nicht stehend, mit unentrinnbaren Fesseln und einem an der Decke befestigten Metallreif um den Hals und geht dann einkaufen. Das Ergebnis war so tragisch wie im Nachhinein vorhersehbar. Die Frau wurde ohnmächtig, fiel in den Halsreif und war tot, als ihr Partner in die Wohnung zurückkehrte. Der Betreffende – ein kanadischer Feuerwehrmann, der es berufsbedingt hätte besser wissen können – erhielt nun dafür die Quittung: Man gets 1 year in girlfriend’s death during sado-masochistic sex (via ErosBlog).

Wie bei den zuletzt hier geschilderten Todesfällen haben die Beteiligten die grundsätzlich immanenten Risiken unterschätzt. Ein derart krasser Verstoß gegen elementare Sicherheitsregeln sollte allerdings auch in der Szene eher selten sein. Hoffe ich jedenfalls.

Sonntag, 5. Mai 2013

Ups

Es gibt ja unterschiedliche Wege, sich versehentlich zu outen, aber einen Rucksack voller einschlägiger Spielsachen im Mathematik-Kurs zu entleeren dürfte zu denen gehören, mit denen sich die größte Breitenwirkung im persönlichen Umfeld erreichen lässt. Dumm gelaufen:

Last weekend I went to visit my girlfriend of about 4 years. We've spent the last year getting pretty into bondage, so when I went I brought a few of our toys from my place in my school backpack. When I left on Sunday I took all of our combined toys back with me (at least the portable ones) because she didn't want her roommate to find them at any point.

… as I’m walking in front of the class to take my seat, my backpack’s zipper finally snaps and out flies everything, and I mean everything. Within three seconds I turn around to see a trail of my perverted inventory. Here's what I, and the rest of my class including my professor sees strewn about the floor:

A ballgag, a spider gag (keeps the mouth open), handcuffs, blindfolds, leather lingerie and chaps, two buttplugs, a collar and a leash, a corset, and a small red dildo.

What made it even worse was that is wasnt all condensed in one area, it was a line about 4 feet long of our toys. I had to pick them up piece by piece and scramble to my desk. When I got to my desk, the girl who sits next to me says ‘you forgot something,’ and I have to stand back up to go pick up the spider gag.“

Immerhin sind da die Fronten geklärt, und eventuell kommt ja die eine oder andere interessierte Anfrage.

Donnerstag, 7. Februar 2013

Egal – es wird gekauft

Immer wenn man denkt, dümmer geht’s nimmer, kommt prompt jemand und tritt den Gegenbeweis an. Ist schon der Erfolg von „Fifty Shades of Grey“ allenfalls nach dem „Millionen Fliegen können nicht irren“-Prinzip zu begreifen, ist längst die nächste Stufe gezündet. Nein, nicht die angedrohte Verfilmung, egal welche Schauspieler sich darin blamieren dürfen. Ich meine das einschlägige Merchandising – Sexspielzeug mit dem aufgedruckten Buchtitel und dem Plazet der ja qua Fanbase ausgewiesenen Fachfrau (*irrekicher*).

Ein schneller Blick in „The Official Pleasure Collection“, egal ob da oder dort, zeigt, dass das Zeug durchaus zum Buch passt und ebenso auf die Ahnungslosigkeit der Kundschaft setzt. Da gibt es etwa unter dem szenig-dominanten Namen You.Are.Mine. „Handschellen aus Metall“ (Sic! Aus was denn sonst, aus Zucker?). Und natürlich sind das wieder die gruseligen und gefährlichen Blechschellchen zu einem Preis, zu dem es längst vernünftige Handschellen gibt. Man darf ja anscheinend schon dankbar sein, dass keine Kabelbinder „approved by E. L. James“ im Sortiment sind.

Der Rest ist ähnlich: Für ein wenig Silber-Schwarz-Optik und ein gelegentliches Stoffsäckchen mit Werbeaufdruck darf der Käufer (oder vermutlich eher die Käuferin) noch mehr Geld für Ware von bisweilen fragwürdiger Qualität hinblättern, als es beim branchenüblichen Perversenzuschlag ohnehin der Fall ist. Schönes Beispiel ist die Gerte „Sweet Sting“ für knapp 40 Euro. Eine in Abmessungen und Wirkung vergleichbare Springgerte gibt es im Reitsporthandel schon für einen knappen Fünfer. 50SOG ist nun mal für echte Masochisten, und Barnum hatte recht.