Mittwoch, 4. Juli 2007

Plüschhandschellen und Blümchenschlüssel

In jedem Sexshop gehören sie zum Standardsortiment, sie werden als Gag an Geburtstagen und Abschlusspartys verschenkt, und auch im Internet kommt man kaum an ihnen vorbei: Handschellen mit Plüsch- oder Kunstfellüberzug sind für viele die erste Begegnung mit Bondage – und zuweilen auch die letzte. Reden erfahrene BDSMer von Lustschmerz, meinen sie normalerweise etwas anderes als die Folgen, die einem beim unbedachten Einsatz dieser Teile drohen.

So neckisch die „Love Cuffs“ im Laden aussehen mögen, so riskant sind sie im Schlafzimmer. Letzteres haben sie mit jenen Handschellen gemeinsam, die bei ebay & Co. allenthalben mit Attributen wie „Behördenqualität“ und „Polizeihandschellen“ oder unter Fantasienamen wie „Texas“ angeboten werden. Keine Polizei der Welt würde diesen Blechschrott verwenden, der selbst geschenkt noch zu teuer ist. Angesichts der Verarbeitungsqualität ist selbst der hin und wieder zu findende Schnäppchenpreis von 2,99 dreist. Aber solche Handfesseln werden durchaus öfter für flockige 15 Euro und mehr angeboten. Es existiert sogar eine mit Strasssteinen besetzte Variante, die noch teurer, qualitativ aber genauso schlecht ist.

Die Fesseln mit dem charakteristischen Blümchenschlüssel bieten zahlreiche Gelegenheiten, die ersten Ausflüge ins Bondage-Wunderland zu einem aus den falschen Gründen unvergesslichen Erlebnis zu machen. Die Armreifen sind schmal und kantig. Zuweilen sind nicht einmal die Kanten gebrochen, sondern die Blechteile so wie sie aus der Stanze kommen grob verchromt. Ein bisschen Herumzerren wird da schnell mit blutigen Handgelenken belohnt. Außerdem haben die Blechschellen im Normalfall keinen vernünftigen Double Lock. Stattdessen soll ein dünnes Hebelchen ein unbeabsichtigtes Engerstellen verhindern. Leider verrutscht der Hebel gerne im unpassendsten Moment. Wer sich dann etwa auf die hinten angelegten Handschellen legt, riskiert Quetschungen und unter Umständen sogar Nervenschäden.

Die Zuhaltungen selbst halten manchmal nicht und gehen auf oder zu, wenn sie nicht sollen. Schlackriges Schloss und Schlüssel aus Druckguss sind eine Kombination, die geradezu nach Murphy schreit: Besonders wenn es schnell gehen soll oder muss, bricht der Schlüssel ab und blockiert den Armreif. Dann tritt zum Risiko von Quetschungen etc. noch eine weitere Verletzungsgefahr hinzu, falls zum Öffnen Werkzeug nötig ist. Und muss der Fachmann ran, kommt auch ein gewisser Peinlichkeitsfaktor ins Spiel, egal ob Feuerwehr, Polizei oder Schlüsseldienst zur Rettung antreten. Eine weitere Gefahrenquelle sind die üblicherweise nicht verschweißten Kettenglieder, die sich unter Zug aufbiegen können. Pech, wenn man sich gerade dranhängt und dann schwungvoll in die Landschaft karriolt – oder dem/der Liebsten mit der unerwartet befreiten Hand samt improvisiertem Schlagring unabsichtlich eine vor den Latz ballert.

Alle, die sich eisenhaltige Abführmittel als Spielgerät zulegen wollen, sollten die Finger von diesen Teilen lassen und lieber 25-35 Euro in Qualität investieren. Zu diesem Preis gibt es bereits solide Marken-Handschellen, die langfristig mehr Spaß machen. Und statt mit deftigem Perversenzuschlag im Sexshop kauft man lieber im Waffengeschäft oder beim Spezialisten.

1 Kommentar:

MissBehaving hat gesagt…

Dieser Artikel ist zwar schon ein bissl älter, aber mir wurde gerade eben erst wieder bewusst, wieviel Unwissenheit in Bezug auf Handschellen vorherrscht. Umso wichtiger ist ein solcher Artikel, der von dir auch wirklich gut geschrieben ist (so nebenbei angemerkt).