Freitag, 31. August 2012

Outing, Relevanz und Toleranz

Das innere Outing ist die eine Seite beim Erkunden der eigenen Vorlieben für BDSM und Bondage. Die andere ist das Outing nach außen und die damit verbundenen Risiken. Selbst wenn man der Ansicht ist, dass die persönlichen sexuellen Präferenzen privat sind und es bleiben sollten, besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass sie in kleinerem oder größeren Kreis öffentlich werden. In anderem Zusammenhang befasst sich SF-Autor Charles Stross mit diesem Thema. In “The Internet is for Porn”: Blackmail in 2033 geht er der Frage nach, inwieweit Kandidaten für politische Ämter noch erpressbar sind, die von Kindheit an ihr ganzes Leben quasi-öffentlich im Web und spezifisch in sozialen Netzwerken verbracht haben. Dabei geht er auch auf sexuelle Normen und Abweichungen davon ein, die er in seinen Romanen und Kurzgeschichten ebenfalls immer wieder thematisiert.

Grundsätzlich ist er dabei optimistisch aufgrund der Tatsache, dass das WWW den Beweis für die Richtigkeit von Ugol’s Law einfacher gemacht hat: Im globalen Dorf finden sich Gleichgesinnte schneller und problemloser als in prädigitalen Zeiten. Seine These: Durch diese Möglichkeit der Vernetzung lassen sich Abweichler von herkömmlichen gesellschaftlichen Normen nicht mehr so einfach an den Rand drängen, weil ihre tatsächliche Zahl und der entsprechende Prozentsatz an der Gesamtbevölkerung offenbar wird. Zugleich erfährt die breite Öffentlichkeit mehr über die Variationsbreite sexueller Spielarten und ist dadurch auch eher bereit, sie zu akzeptieren:

„Familiarity frequently breeds tolerance (at least, when the subject matter is consensual and, within its own framework, non-transgressive): and so, stuff that would formerly have been considered blackmail material is now simply a collection of home videos posted on YouTube.“

Die Diskussion in den Kommentaren zeigt den Zwiespalt der Teilnehmer. Die einen hoffen ähnlich wie Stross auf eine Normalisierung, durch die es keine große Sache mehr ist, wie jemand sich in sexueller Hinsicht definiert – so wie sich mittlerweile die Erkenntnis durchsetzt, dass Ehe und in der Folge Familie sich auch in anderen Modellen realisieren lassen als in der Verbindung zweier Personen unterschiedlichen Geschlechts. Die anderen dagegen sind skeptisch und befürchten einen Rollback zu rigideren Moralvorstellungen mit entsprechendem sozialen Druck unter der Flagge eines neuen Puritanismus. Selbst bei wachsender Toleranz gegenüber ungewöhnlichen Lebensentwürfen vermute ich ja, dass neben konservativen Rückfällen eine elitäre „Quod licet Iovi, non licet bovi“-Haltung als Bremse ins Spiel kommen kann.

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