Die Erstausstattung
Jemand, der wie ich Bondage schon ein wenig länger und auch intensiver betreibt, schöpft normalerweise aus dem Vollen: Über die Jahre sammelt sich einfach viel an, und im Normalfall habe ich für die meisten Bondage-Situationen das richtige Fesselmaterial parat. Einsteiger stehen dagegen vor der Frage, mit was sie anfangen sollen. Zu viele einschlägige Utensilien auf dem Markt sind qualitativ miserabel, derb überteuert – der sprichwörtliche Perversenzuschlag – und im Zweifelsfall in ihren Einsatzmöglichkeiten beschränkt.
Auch wer in der ersten Entdeckerfreude nutzt, was ohnehin im Haushalt vorhanden ist, kann böse Überraschungen erleben. Wie die Plüschhandschellen kann auch hier das falsche Material die Freude am Fesseln dauerhaft vergällen. Seidenschals, Strümpfe bzw. Strumpfhosen, Krawatten oder Morgenmantel-Gürtel eignen sich prinzipiell zum Fesseln. Allerdings schneiden sie nicht nur schnell ein. Auch Knoten neigen hier dazu, sich so fest zu ziehen, dass sie nur noch mit scharfen Werkzeugen zu öffnen sind. Die Paketschnur aus der Küchenschublade oder die Wäscheleine aus dem Keller leiden unter den selben Nachteilen, zudem können sie je nach Qualität im falschen Moment reißen.
Die beste Basis für eine Bondage-Ausrüstung ist ausreichend stabiles, ausreichend dickes Seil in ausreichender Länge. Was dabei „ausreichend“ ist, ist in der Szene durchaus umstritten, ebenso wie das „richtige“ Material. Natürlich habe ich selbst zugerichtetes, geöltes Hanfseil in meinem Bestand. Aber auch wenn die Puristen jetzt aufschreien: Für den Anfang tut es ganz normales Kunststoffseil aus dem Baumarkt. Das ist praktisch sofort einsatzbereit, leicht zu beschaffen und geht auch in größeren Mengen nicht ungebührlich ins Geld – große Vorteile, wenn man in Bondage erst einmal reinschnuppern will oder eine verwickelte Situation mit einem beherzten Schnitt durch das nagelneue Seil auflösen muss.
Bewährt hat sich meiner Erfahrung nach geflochtenes Polypropylen-Seil mit einer Dicke von 6 mm. PP-Seil, weil es einigermaßen robust ist und auch in Sachen Witterungsbeständigkeit Vorteile gegenüber anderen Materialien bietet. Geflochten, weil sich das Seil so geschmeidiger legen und knoten lässt. Außerdem sieht es meiner Meinung nach schöner aus als geschlagenes Kunststoffseil dieser Dicke, bei dem die Furchen zwischen den Kardeelen recht tief sind. Ein Durchmesser von 6 mm erlaubt hohe Flexibilität: Ein solches Seil folgt gut den Körperkonturen, lässt sich anders als dickeres Seil gut knoten und ist dick genug, dass man als Rigger nicht endlos wickeln muss für eine optisch ansprechende und bequeme Bondage. Zugleich ist es dünn genug, um auch Feinarbeit etwa bei Fingern und Zehen zu ermöglichen.
Als Standardlängen setze ich bei diesem Seil auf 4 m und 8 m. Die kürzeren Enden eignen sich bei der von mir bevorzugten Double-Rope-Technik gut für die Extremitäten, während die längeren Stücke für den Körper gedacht sind. Mit diesen beiden Längen kann ich nahezu alle Situationen abdecken, und auch die 8 m-Enden sind noch nicht so lang, dass sie beim Fesseln in den Weg geraten. Die in Baumärkten häufig zu findenden 15 m-Spulen „Allzweckseil“ sind dicht genug an diesen Längen dran, dass sich eine Einsteiger-Ausstattung kostengünstig mit zwei Spulen und ohne aufwendiges Abmessen realisieren lässt: Das eine Seil vierteln, das andere halbieren, über einer Kerze die Schnittenden verschmelzen, ohne das sich scharfkantige harte Knubbel bilden – fertig.
Nach all den Vorteilen sollen auch einige Nachteile nicht verschwiegen sein. So müssen Knoten in geflochtenem PP-Seil wegen dessen Glätte zuweilen mit zusätzlichen Stopperknoten gesichert werden. Außerdem erzeugt es wie alle Kunststoffseile eher Verbrennungen durch Reibung als Naturfasern, wenn es schnell über die Haut gezogen wird. Und manches dieser Baumarktseile ist nicht unbedingt tauglich für eine Suspension. Aber wer seine(n) Begünstigte(n) schweben lassen will, sollte ohnehin wissen, was er tut, und schon einige Erfahrung haben.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen