Dienstag, 19. Juni 2012

Wegezoll, Schutzgeld, Leistungsschutzrecht

Kaum denke ich, ich kann mich zumindest an dieser Stelle Seilen, Bildern, Begünstigten und anderen Annehmlichkeiten des Lebens widmen, muss ich schon wieder die Kettensäge herauskramen, um mich gegen etwas zu wehren, was die Axt an die Wurzeln des Netzes legt: Das seit längerem angedrohte Leistungsschutzrecht steht kurz davor, Gesetz zu werden.

Mit diesem meinem Blog bin ich Urheber und habe als solcher auch schon eine gewisse Menge an Texten zu einem nicht nur für mich spannenden und anregendem Thema verfasst, häufig mit aktuellem Bezug. Glaubt man dessen Befürwortern, würde ich vom Leistungsschutzrecht profitieren und mit seiner Hilfe sogar Geld verdienen können, weil ja unter gewissen Umständen Leute, die meine Beiträge verlinken wollen, dafür zuvor bei mir eine Lizenz erwerben müssten. Aber sicher doch.

Gut, im Gegenzug muss ich dann natürlich auch zahlen, wenn ich selbst Links setze und das Blog hier irgendwie als „gewerblich“ definierbar wäre. Also, ich finde das LSR (na bitte, klingt als Abkürzung doch gleich viel kuscheliger) toll. So richtig. Deshalb mache ich etwas, was nach dem neuen Gesetz künftig verboten oder lizenzpflichtig wäre, würde es sich beim Folgenden um Angebote von „Presseverlegern“ handeln: Ich verlinke interessante Texte und zitiere dabei deren Überschriften – nein, keine Presse- sondern eine Webschau.

Zunächst einmal ein paar Experten zu den neuen Regelungen und den zu erwartenden Folgen:

Ich habe gerade mit der deutschsprachigen Wikipedia und ihren Relevanztrollen und digitalen Schrebergärtnern meine Probleme, dennoch sind die Pressemitteilung „Wikipedia demnächst ohne Weblinks? Wikimedia Deutschland sieht Gefahr durch neues Leistungsschutzrecht“ von Wikimedia Deutschland und dazu Jan Engelmanns Blogpost Wikipedia bequellen: nur mit Leistungsschutzgeld lesens- und bedenkenswert. Claudia Klinger ist nicht die einzige, die das Vorhaben für eine „breitflächige Einschränkung der Kommunikation“ hält: Leistungschutzrecht: die Kollateralschäden – Rechtsunsicherheit auch unter Bloggern. Stefan Niggemeiers Rant Geht sterben (10) kann ich weitenteils zustimmen, auch wenn ich seine Ansage „Das Leistungsschutzrecht: Selten war es so tot wie heute“ etwas optimistisch finde.

Was nun? Es zum Beispiel so machen wie Thomas Knüwer: Der Wahnsinn Leistungsschutzrecht – und warum ich nicht mehr auf Verlage verlinke. Thomas Wiegold verzichtet in Erwartung des Leistungsschutzrechtes schon seit längerer Zeit auf das Zitieren und Verlinken deutscher Medien und erklärt genau, was er tut und was nicht: Mit Leistungsschutzrecht: Kein Wehrbeauftragter, kein General.

Andere lassen sich nach der LSR-Lektüre eher von der Evil Overlord List inspirieren. So sinniert Don Alphonso kurz und knackig darüber, was er an Googles Stelle tun würde, während Mario Sixtus die Regeln zu seinem Vorteil auslegt: Wie man sich mit dem Leistungsschutzrecht eine Google-Melkmaschine baut .

Die Zukunft ist in diesem Fall nicht ungleichmäßig verteilt, sondern ziemlich unscharf. Unter dem Titel „Recht mäßig. Wie weiter mit dem Leistungsschutzrecht?“ malt Alexander Svensson sich vier mehr oder minder wahrscheinliche Szenarien aus. Jens Scholz sieht einen Lichtstreif am Horizont – Vier Gründe, warum Blogger das Leistungsschutzrecht nicht fürchten sollten – und tendiert damit in die gleiche Richtung wie Ralf Schwartz in seinem bei weitem nicht nur ironisch betiteltem Aufruf Ich breche eine Lanze für dieses Leistungsschutzrecht. In der Zwischenzeit darf man sich bei an Konstantin Kleins Vorsätzen orientieren.

Tools wie de-LSG oder der D64 LSR-Stopper sind dagegen ein Herumdoktern an Symptomen. Lieber gleich verzichten, statt sich damit abzugeben – es gibt genug Alternativen. Habedieehre.

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