Dienstag, 6. September 2016

Workshop mal anders

Ich gebe ja hin und wieder Workshops, um Interessierten Bondage-Techniken und den sicheren Umgang mit Seilen beizubringen. In Kürze ist mal wieder Workshop-Zeit – allerdings gebe ich diesmal keinen, sondern bin selbst Teilnehmer. Den Workshop leitet einer der international bekanntesten Rigger, dessen Stil ich sehr schätze. Dabei hoffe ich auf spannende Inspirationen und entspannte Fachsimpelei in kleinem Kreis, schließlich sollte man keine Gelegenheit auslassen, dazu zu lernen. Ich bin gespannt und werde berichten.

Freitag, 26. August 2016

Riskante Spiele

Atemkontrolle ist nicht nur eine relativ häufige Praktik unter BDSMern, selbst im Vanilla-Umfeld wird immer öfter mal beim Sex Hand an oder ein Gürtel um den Hals gelegt. Das damit verbundene Risiko unterschätzen die Beteiligten häufig – wenn sie sich dessen überhaupt bewusst sind.

In Hoaxilla-TV Folge 43 interviewen die Macher Lydia Benecke zum Thema Snuff Movies. Dabei geht es nicht nur um Tötungsfantasien, die Leute, die darauf stehen und die Macher hinter den Filmen, die diese Fantasien bedienen.

Themen sind auch die Hintergründe, warum Leute Lust auf BDSM und andere abseitige Arten von Sexualität haben, und auch, wie gefährlich Atemreduktion im Zweifelsfall sein kann. Anhand realer Fälle (autoerotische Unfälle, Pannen beim Dreh etc.) wird demonstriert, dass es da meist eine Frage von Sekunden ist, dass Betroffene sehr schnell nicht mehr handlungsfähig sind, und dass Mitwirkende oft gar nicht mitkriegen, dass die Betroffenen schon komplett weg sind, weil sie Reflexe mit bewussten Handlungen verwechseln.

Die Folge gibt es als Webvideo und als Download in verschiedenen Formaten.

WhatsApp, Facebook und ungewolltes Outing

Viele BDSMer sind im beruflichen und/oder privaten Umfeld nicht geoutet, weil sie Nachteile befürchten müssen. Dennoch nutzen sie natürlich gängige Kommunikationskanäle und Social Media &ndash, und sind sich dabei oft gar nicht bewusst, wie breit die Datenspur ist, die sie hinterlassen. Selbst wer vorsichtig agiert, kann allerdings ins Messer laufen, wenn bislang getrennte Daten zusammengeführt werden und so neue Rückschlüsse erlauben.

WhatsApp wird in Kürze seine Daten mit Facebook teilen, speziell die mit dem Dienst verknüpfte Handynummer. Da Facebook schon aufgrund der schieren Datenbasis sehr gut darin ist, aus den Kontaktdaten des jeweiligen Nutzers und diversen Metadaten Zusammenhänge herzustellen, kann das zu unliebsamen Überraschungen führen – und das selbst dann, wenn man selbst gar keinen Facebook-Account hat.

Liest man die entsprechenden Artikel und Kommentare, scheint Threema derzeit noch die beste Alternative zu sein:

„Damit wird die Mobilfunknummer langsam zu einer Art universal identifier, mit dem Tracking und Targeting über alle Grenzen hinweg möglich ist. Im Vergleich dazu erscheinen die bisherigen Cookies wie eine Werbetechnologie aus einer Folge der Waltons.“

Bislang waren die Datenbanken von Facebook und WhatsApp nicht direkt verknüpft. Künftig ist der direkte Durchgriff möglich und damit eine weitergehende Bestätigung von Identitäten und Verbindungen. Das ist aus Geheimdienst- wie aus Marketingperspektive das Schöne an Metadaten: Man kann Leute über viele Details zuammenbringen. Und wenn man sich bei Facebook nicht aktiv wehrt, werden bei der Anmeldung mit dem Handy Telefonbuch und E-Mail-Adressbuch an Facebook geschickt, was jede Menge Rohstoff für Data Mining liefert und sich auch auf Leute erstreckt, die weder Facebook noch WhatsApp nutzen. Dabei greift das Six-Degrees-Prinzip, nach dem sich Leute quasi über Bande miteinander verknüpfen lassen, hier eben über die gemeinsamen Kontakte. Anschauliches Beispiel dazu ist die Bacon-Zahl, zum Rumspielen beim Oracle of Bacon.

Update 31.08.2016: Wie um das Risiko zu demonstrieren, ist gerade ein Fall öffentlich geworden, in dem Facebook Patienten einer Psychiaterin anderen Patienten als mögliche Freunde vorgeschlagen hat. Wahrscheinlichster Grund: Sie hatten alle die Telefonnummer der Psychiaterin in ihren Handys.

Montag, 22. August 2016

BDSM und Katzen: Anders als gedacht?

Ich habe ja schon vor längerer Zeit darauf hingewiesen, dass Katzen eine gewisse Affinität zu BDSM haben – nicht nur, wenn es um Bondage geht. Eine neue Studie deutet darauf hin, dass die Katzen sich nicht aufgrund ihres Naturells zu BDSMern hingezogen fühlen oder weil die Seile so ein schönes Spielzeug sind. Stattdessen könnte es umgekehrt sein: Katzen scheinen schuld daran zu sein, dass Menschen zu BDSM neigen, jedenfalls mittelbar: Jaroslav Flegr und Radim Kuba postulieren in The Relation of Toxoplasma Infection and Sexual Attraction to Fear, Danger, Pain, and Submissiveness (Volltext, PDF), dass einschlägige sexuelle Vorlieben durch Toxoplasmose-Erreger ausgelöst werden können, der eigentlich ein Katzenparasit ist, jedoch Menschen als Zwischenwirt nutzt.

Flegr vertritt schon seit Jahren die These, dass eine Reihe von Parasiten das Verhalten von Menschen auf ähnliche Weise beeinflussen wie Leberegel es mit Ameisen tun. Bei Mäusen schaltet der Toxoplasmose-Erreger die Angst vor Katzen aus. Flegr vermutete bereits vor einigen Jahren aufgrund von medizinischen Untersuchungen, psychologischen Tests und Befragungen, dass der Toxoplasmose-Erreger Männer sowohl misstrauischer macht als auch eher gegen gesellschaftliche Regeln verstoßen lässt, während Frauen sich warmherziger und regelkonformer verhalten. Sowohl Männer als auch Frauen litten &ndash, so seine Ergebnisse – häufiger an Schuldgefühlen und Unsicherheit sowie verlangsamten Reaktionen. Dabei deutete einiges drauf hin, dass der Effekt umso stärker ist, je länger die Infektion zurückliegt.

In der neuen Untersuchung nahmen Flegr und Kuba sexuelles Verhalten und sexuelle Vorlieben im Hinblick auf Toxoplasma-Infektionen unter die Lupe. Dabei stellten sie fest, dass sich Träger von Toxoplasma gondii sowohl in ihrem Sexualverhalten als auch in ihren Fantasien und Vorlieben deutlich von Nicht-Infizierten unterscheiden. Die Autoren führen dies auf einen durch den Parasiten bzw. die Immunreaktion auf ihn ausgelösten Dopaminspiegel zurück:

„In agreement with our a priori hypothesis, [Toxoplasma]-infected subjects are more often aroused by their own fear, danger, and sexual submission although they practice more conventional sexual activities than Toxoplasma-free subjects. We suggest that the later changes can be related to a decrease in the personality trait of novelty seeking in infected subjects, which is potentially a side effect of increased concentration of dopamine in their brain.

(…)

The infected subjects expressed a lower tendency toward sexual dominance, tattoo and piercing, watching pornography, group sex, and they are less often engaged in activities that include Bondage, Discipline and Sado-Masochism (BDSM). However, they expressed higher attraction to bondage, violence, zoophilia, fetishism, and, in men, also to masochism, and raping and being raped. Generally, infected subjects expressed higher attraction to nonconventional sexual practices, especially the BDSM-related practices, but they also reported to perform such activities less often than the Toxoplasma-free subjects.“

Flegr weist auf andere Untersuchungen hin, die sich mit den evolutionären Vorzügen abweichenden sexuellen Verhaltens unter spezifischen Umständen befassen. Danach könnte Masochismus bei Frauen nützlich sein, für ihre Nachkommen „gute Gene“ oder ein hinsichtlich der Ressourcen besseres Umfeld zu ergattern, während D/S-Beziehungen Zusammenhalt und Zusammenarbeit zwischen Partnern mit unterschiedlichem Hintergrund verbessern. Flegr und Kuba stellen ihre Hypothese als alternatives Erklärungsmodell dagegen. Sie sehen hier ein „Fatal Attraction“-Phänomen wie bei infizierten Mäusen am Werk.

Um zu überprüfen, ob eine Toxoplasma-Infektion Risikobereitschaft und Abenteuerlust in sexueller Hinsicht erhöhen, befragten die beiden 36.564 Männer und Frauen aus Tschechien und der Slowakei per Online-Fragebogen mit 701 Fragen zu sexuellen Vorlieben ebenso wie zum soziokulturellen Hintergrund und zur Gesundheit. In der Auswertung wurden 350 Variablen berücksichtigt. Daraus ergaben sich 24 Faktoren, die das Sexualverhalten beeinflussen – und bei 18 davon ergab sich ein Zusammenhang zu einer Infektion mit Toxoplasma gondii. Dabei fielen Vorlieben für bzw. Interesse an Sadismus/Dominanz und Bondage markant auf. Flegr betont jedoch, dass eine Infektion insgesamt gesehen nur bereits bestehende Neigungen verstärkt.

„Our study confirmed the existence of specific differences in sexual behavior, desires, and preferences between Toxoplasma-infected and Toxoplasma-free subjects. The character of these changes, that is, the higher attraction to bondage, violence, and, in men, to masochism and raping supports our hypothesis about the coactivation of sex-related and fear-related medial amygdala circuits in humans. It must be stressed that the Toxoplasma infection explains only small part of the variability in BDSM-associated traits.“

Er und Kuba haben auch den Aspekt Novelty Seeking untersucht, der für BDSMer ebenfalls eine Rolle spielt, mal mehr, mal weniger. Das Ergebnis hier: In drei von vier Bereichen liegt bei Infizierten der Novelty-Seeking-Wert unter dem Durchschnitt. Die Träger des Erregers sind reflektierter, fordern detailliertere Informationen, bevor sie sich für oder gegen etwas entscheiden, und lassen sich weniger leicht ablenken. Außerdem sind sie reservierter und kontrollierter und verschwenden weniger Energie und Gefühle. Sie sind stärker organisiert und methodischer und bevorzugen Aktivitäten mit strengen Regeln und Vorgaben – alles Eigenschaften, denen BDSM entgegenkommt.

Die Autoren weisen darauf hin, dass die Umfrage aufgrund des Themas sowie des Umfangs des Fragebogens und der dafür benötigten Zeit vermutlich vor allem Teilnehmer angezogen hat, die entweder ausreichend altruistisch oder aber sehr interessiert an Sex sind. Deshalb seien die Ergebnisse nur begrenzt repräsentativ. Auch bildeten die von den Teilnehmern gegebenen Antworten das Rückgrat der Studie. Allerdings setzten Flegr und Kuba auf einen hohen Wahrheitsgehalt der Antworten, da nur sehr motivierte Teilnehmer den Fragebogen bis zum Schluss ausfüllten.

Dienstag, 26. April 2016

BDSM und Bondage mit Computer-Unterstützung

Auf Charlie Stross’ Blog hat Gastautor Hugh Hancock unter dem Titel Markov Chain Dirty To Me einen spannenden Artikel darüber veröffentlicht, wie das, was landläufig als Sex mit Computern bzw. Robotern bezeichnet wird, bereits im BDSM-Umfeld genutzt wird, und zeigt Trends für die nahe Zukunft auf, samt interessanter Diskussion. Sein Fazit:

„Computer-generated dialogue has gotten pretty good, to the point that several chatbots have arguably passed the Turing Test. One of the criticisms of that chatbot was that it cast itself as a very particular role and personality in order to appear convincing – which is obviously something that is eminently doable for a fantasy chatbot too.

In addition, by its very nature sex texting tends to be somewhat inarticulate at points. From what I saw of Tay’s output – Nazi propaganda aside – a similar level of quality would pass perfectly well in sexual chat.

Sure, a bot might not be able to construct sophisticated fantasies. But are those 100 % necessary, or can it learn to please based on call and response?

2015 was the year that computers got better than humans at recognising images.

Could 2017 or 2018 be the year that computers get better than humans at dirty talk? Or, indeed, BDSM dominance?

There’ll certainly be a lot of enthusiasm for the concept.

Der nächste Schritt nach Chatbots sind dann die Maschinen, die aktiv mitspielen – und auch da ist die Technik punktuell schon recht weit und wird von Solospielern und Paaren gleichermaßen eingesetzt.

Dienstag, 29. März 2016

Fifty Shades of Grey macht selbst antiquarisch Probleme

Das böse Buch verursacht Schmerzen an unerwarteter Stelle, denn es lässt sich offenbar nicht so einfach loswerden: Der Gebrauchtbuchladen Goldstone Books wird mit ausgelesenen Ausgaben von „Fifty Shades of Grey“ überflutet. Der Laden hat inzwischen so viele Exemplare des Buchs gespendet bekommen, dass die Mitarbeiter daraus ein Fort errichtet haben. Die Bücher werden nicht weniger, weil kein Kunde ein Exemplar kaufen will, zudem sind die Bücher wegen ihrer besonderen Klebebindung auch nicht recyclebar. Im verlinkten Artikel gibt es Bilder des SoG-Forts, das mit ein paar Nerf Guns wohl unterhaltsamer als Mr. Greys Spielzimmer sein könnte.

Montag, 29. Februar 2016

Einmal mit Profis arbeiten

Unprofessionell: Gefährlicher Blechschrott statt richtiger HandschellenWas einem so auf Reisen ins Auge springt: Die bayerische Polizei wirbt in den Zügen der Deutschen Bahn um Nachwuchs. Dazu baumeln von den Kleiderhaken in den Waggons Papphänger, die neben dem Slogan und den Informationen zur Kampagne als Eyecatcher ein paar in Originalgröße abgebildete Handschellen tragen. Obwohl beim Auftraggeber sicher passendes Material vorhanden wäre, hat die Werbeagentur hier nicht selbst fotografiert, sondern auf ein Stockfoto zurückgegriffen. Und so zieren keine echten Handschellen den Hänger, sondern die berühmt-berüchtigten Blechschellchen aus der Sexshop-Wühlkiste. Angesichts der Unzuverlässigkeit dieser Klapperatismen erscheint der Slogan „Lässt Dich nicht mehr los“ Leuten mit ein wenig Fachwissen durchaus doppeldeutig. Als passende Begleitmotive böten sich jedenfalls eine Wasserpistole als Dienstwaffe und ein umlackierter Trabbi der Volkspolizei als Dienstfahrzeug an.