Sonntag, 9. Februar 2014

Business as usual

Privatsphäre? Da war doch noch was: Ich und mein Netz – Brauchen wir eigentlich Privatsphäre? Dabei wird es immer schwerer, irgendetwas privat zu halten egal, ob im Netz oder außerhalb:

Die flächendeckende automatische Verknüpfung von Daten kann erhebliche Folgen haben, wie die in „Google outed me“ geschilderten Beispiele zeigen. Und selbst wer der Problematik gewahr ist und einer weitergehenden Nutzung seiner Daten aktiv widerspricht, kann sich nicht darauf verlassen, dass das eingehalten wird: Das müssen etwa gerade die Briten erfahren, deren im NHS erfasste Patientendaten auch nach Opt-out weitergegeben werden – und das recht umfassend an viele interessierte Stellen, einschließlich der Industrie.

Überhaupt, Großbritannien: Was sich da schon abzeichnete, schlägt weiter Wellen. Und es zeigt sich, dass eine schlechte Idee auch mit Nachbesserungen nicht besser wird.

Solche Fehlschläge hindern natürlich niemanden daran, Ähnliches auch an anderer Stelle zu versuchen. Mal „nur“ aus Prüderie – Keine Apps mit nackten Menschen bei Chromecast –, mal aus knallhartem politischem Kalkül. So orientiert sich die aktuelle Internet-Regulierung in der Türkei klar am chinesischen Vorbild und kommt den feuchten Träumen vieler europäischer Politiker durchaus entgegen.

Eine andere Form der Zensur, diesmal durch die mit den größten Geldbeuteln, ist die Einschränkung der Netzneutralität. Wie sowas dann in der Praxis aussieht, zeigt das Beispiel des US-Providers Verizon, der gleich Amazon-Cloud-Dienste ausbremst, um Netflix zu Zahlungen für bevorzugte Behandlung zu bewegen (deutschsprachiger Überblick). Nicht ohne Grund kämpfen die großen Anbieter gegen ein offenes Internet, ist es doch die einzige Chance gegen ihre Oligopole. Goodbye Net Neutrality, Hello Gilded Age Internet:

Mein Entschluss, keine E-Books zu kaufen, ist abermals bekräftigt worden: Adobe hat ein neues DRM-Verfahren angekündigt und wird damit voraussichtlich früher gekaufte E-Books ebenso wie ältere E-Book-Reader unbrauchbar machen. E-Book-Leser erwerben keine Bücher, sondern jeweils jederzeit widerrufbare, eng begrenzte Leselizenzen zum Preis eines Buchs. Dass DRM für den Anwender alles andere als gut ist, beleuchtet der als Schriftsteller selbst betroffene Cory Doctorow in What happens with digital rights management in the real world?.

Die nächste Front ist auch schon wieder eröffnet – europäische Verwertungsgesellschaften wie die deutsche GEMA, die österreichische AKM oder die niederländische BUMA/STEMRA wollen künftig doppelt und dreifach abkassieren und auch das Einbetten von Youtube-Videos lizenzpflichtig machen.

Wundert sich irgendwer?

Donnerstag, 30. Januar 2014

Kleine Zeitreise und ein gelöstes Rätsel

Zu einer kleinen persönlichen Zeitreise hat mich Christopher, seines Zeichens Fetish Leathercrafter mit einem Artikel über ein interessantes Fundstück angeregt. Dieses Fundstück, eine aufwendige und restriktive Bondage-Isolationsmaske, kam mir sehr bekannt vor. Ich hatte eben diese bei Christopher gezeigten Bilder davon vor gut 25 Jahren – noch nicht online – in anderem Zusammenhang gesehen. Bereits damals fand ich die Fotos faszinierend. Nun kenne ich auch die spannende Geschichte dahinter.

Demnach ist die Maske noch älter als ich dachte. Sie stammt wahrscheinlich aus den 30er- oder frühen 40er-Jahren des 20. Jahrhunderts. Entworfen wurde sie von William Seabrook (1884–1945), einem exzentrischen Abenteurer, Journalisten und Schriftsteller. Seabrook war am Mystizismus fremder Völker interessiert und erkundete auf seinen Reisen haitianische Voodoo-Riten und die Rituale und Gebräuche von Derwischen und afrikanischen Stämmen. Dem Okkulten ebenso zugetan wie der Erforschung von Sinneswahrnehmung und Bewusstsein, war er mit dem damals schon berühmt-berüchtigten Aleister Crowley und Joseph Banks Rhine, dem Begründer der Parapsychologie, befreundet – und mit ziemlicher Sicherheit war er außerdem Sadist mit einem Faible für Bondage.

Die den ganzen Kopf umschließende Ledermaske entstand im Bestreben, Seh- und Gehörsinn seiner weiblichen Versuchsobjekte zu blockieren. Die Wirkung solcher Maßnahmen habe ich hier auch schon hin und wieder behandelt. Seabrook wollte herausfinden, ob stundenlanger Sinnesentzug die Betroffenen neue Bewusstseinsebenen erschließen lässt. In einem Folgeartikel weist Christopher auf einen Zeitschriftenartikel aus dem Jahr 1942 hin, der Seabrooks Leben, Vorlieben und Experimente mit zahlreichen Bildern vorstellt: „Can Science Guide Man’s Mind Into the Future? William Seabrook experiments with white magic for an answer“

Und wo habe ich nun diese Bilder einer ansonsten recht spärlich gekleideten Dame mit der dekorativen Vollmaske gesehen? In einem Katalog von Kastley, einem inzwischen nicht mehr existenten Hersteller von Fetischkleidung und Bondageausstattung. Vor dem Aufbruch ins Internet waren solche Kataloge eine der wenigen Quellen für einschlägiges Bildmaterial. Für die Produktabbildungen war Kastley anscheinend das Erstellen eigener Zeichnungen und Fotos zu teuer, und so bedienten sich die Macher des Katalogs ausgiebig bei anderen Anbietern. Und hier schließt sich der Kreis: Ein Kommentar zum zweiten Artikel beim Fetish Leathercrafter deutet darauf hin, dass die Maske Anfang der 1970er in Katalogen des amerikanischen Fetisch- und Bondage-Spezialisten Centurion auftauchte. Für Centurion wiederum illustrierte über Jahre hinweg Robert Bishop zahlreiche Kataloge, und seine Bilder finden sich ebenfalls zuhauf in den Kastley-Katalogen.

Sonntag, 19. Januar 2014

Fest verschnürte Frauen in Gefahr

Dass die „Damsel in Distress“ auf einem Titelbild verkaufsfördernd ist, ist keine neue Erkenntnis, sondern seit Jahrzehnten erprobt. Wem die Political Correctness egal ist und wer ein Faible für Genreliteratur und trashige Illustrationen hat, sei The Golden Age empfohlen. Es zeigt unter dem Titel The Shudder Pulps eine schöne Auswahl klassischer Pulp-Titel, übrigens auch mit ein paar Männern in misslichen Lagen.

Was geht auf eine Nadelspitze?

Meins ist es ja nicht, aber etliche Leute in der Szene lieben Nadelspiele. Wer unbedingt seinen Spielpartner mit spitzen Gegenständen anbohren will, sollte ohnehin wissen, was er tut. Dass es nicht nur wegen der Hygiene und des Infektionsschutzes eine gute Idee ist, Nadeln wirklich nur einmal zu benutzen und dann zu entsorgen, zeigt die (nicht einschlägige) Menschenhandwerkerin in einer beeindruckenden Bilderserie.

Knapp verpasst

Heute habe ich mitbekommen, dass gestern der International Fetish Day war, der 2014 bereits zum siebten Mal stattgefunden hat. Er soll darauf aufmerksam machen, dass Sexualität höchst vielfältig ist und Fetische und Fetischismus weiter verbreitet sind, als mancher glauben will. Als Bondager, Rigger und auch sonst der einen oder anderen Perversion nicht abgeneigter Mensch unterstütze ich die Position, dass unter vernünftigen, informierten Erwachsenen mit Gefühl und Respekt viele Dinge möglich sind, die nach herkömmlichen Vorstellungen seltsam erscheinen mögen. Na gut, dann eben nächstes Jahr.

Mumie mit Breitenwirkung

Die Welt von Bondage und BDSM erscheint Außenstehenden oft reichlich seltsam, gerade wenn es um mehr geht als das mittlerweile fast schon salonfähige gelegentliche Popoklatschen und dekorative Ans-Bett-Fesseln mit Seidenschals oder Krawatten (*seufz*). Einen Beitrag zum besseren Verständnis liefert der Discovery Channel in diesem Jahr mit der Dokumentation Forbidden – Mummification. Sie bietet einen Einblick in Leben und Gefühlswelt des Mumienfans „Mumman“ und hebt dabei anscheinend stark auf den meditativen Aspekt von Bondage ab:

(via Fetish Leathercrafter)

Riskante Aufnahmen

Private Bilder und Videos auch bei einschlägigen Aktivitäten zu zweit (oder mehreren) sind heute technisch kein Problem und werden entsprechend oft gemacht. Was im Moment der Entstehung eine schöne Erinnerung oder ein zusätzlicher Kick ist, kann im Nachhinein zum Alptraum werden. Mitunter landen Fotos und Filme im Netz, bei denen die Akteure gut identifizierbar sind, ohne dass dies beabsichtigt ist: Sei es durch schlichte Schusseligkeit, sei es durch Böswilligkeit, wenn sich eine Beziehung im Unfrieden auflöst und ein wütender Partner dem oder der Verflossenen bewusst schaden will.

Why Amateur Porn Will Never Be Safe schildert ein reales Worst-Case-Szenario, das ganz ohne BDSM und Bondage für die Betroffene existenzbedrohend wurde. Deshalb, auch wenn es zunächst keine große Sache zu sein scheint: Überlegt genau, was Ihr tut, nicht nur als die Abgebildeten, sondern auch als diejenigen, die etwas öffentlich machen.