Aspekte von Bondage
Was finden Leute eigentlich an Bondage? Klar – es ist geil und fühlt sich gut an. Aber das ist nicht der einzige Grund, warum jemand feste Fesseln liebt. Aus eigenen Erfahrungen und zahlreichen Diskussionen haben sich eine Reihe von Motiven für diese Vorliebe herauskristallisiert. Der sexuelle Aspekt steht für viele natürlich stark betont im Vordergrund. Doch daneben treten weitere innere und äußere Aspekte, die bei den meisten Bondage-Anhängern in wechselnder Gewichtung mitschwingen.
Aus Sicht des/der Gefesselten – eine Freundin hat dafür den Begriff „Begünstigte(r)“ geprägt – spielen vielfach auch sportliche und meditative Komponenten eine Rolle. Hinzu tritt die Ästhetik der Bondage, die bei dem, der fesselt, durchaus künstlerische Befriedigung auslösen kann. All diese Aspekte lassen sich im Alltag nicht scharf trennen; häufig verbinden sich in einer Session mehrere davon.
Es ist häufig kaum zu klären, warum jemand es liebt, beim Sex gefesselt zu werden oder sein Gegenüber zu verschnüren. Doch auch wenn der Ursprung einer solchen persönlichen Vorliebe im Dunklen bleibt, ist die sexuelle Komponente eine starke Triebkraft. Macht und Hilflosigkeit spielen ebenso hinein wie die Möglichkeit, eigene Hemmungen fallen zu lassen: Man kann sich ja nicht wehren und „muss“ bei Sachen mitmachen, die man selbst begehrt, aber sich nicht zu wünschen traut.
Macht und Ohnmacht sind beim sportlichen Aspekt ebenfalls von Bedeutung. Hier geht es um die Herausforderung, den Wettstreit zwischen Kraft und Beweglichkeit des/der Begünstigten einerseits und Geschick und Können des Riggers andererseits. Ziel ist es, sich möglichst rasch (oder auch nur überhaupt) zu befreien bzw. genau dies zu verhindern. Oder aber, sich nach Kräften zu wehren, zu flüchten, gegen die Fesseln anzukämpfen. So manche(r) Krawallsubbie macht einem Fessler da richtig Arbeit, weil der sicher sein muss, jeden Knoten außer Reichweite zu platzieren, keine Seilwindung zu locker zu führen und am besten auch alles außer Reichweite zu bringen, was sich als Werkzeug nutzen lässt.
Entgegengesetzt zum sexuellen ist der meditative Aspekt. Bondage wird dabei zum Hilfsmittel, sich eine Auszeit zu nehmen. Bewegungslos verschnürt und mit verbundenen Augen lässt sich abgeschlossen von der Welt entspannen und träumen. Die Umarmung der Fesseln vermittelt eine Geborgenheit, in der man ins Fliegen kommt. Dieses meditative Fliegen ist anders als das sexuelle Fliegen, kann sich aber im Lauf einer Session daraus entwickeln. Wechselt der/die Begünstigte im Flow des Spiels in den Subspace, gewinnt diese Komponente an Kraft. Meditative Bondage hat ein gewisses therapeutisches Element. Sie lässt sich nutzen, um den Geist zu klären und Kraft zu schöpfen. Natürlich will ich diesen letzten Aspekt nicht überbewerten, Bondage auf Rezept dürfte eher unwahrscheinlich sein. Aber da ja Wellness-Angebote im Trend liegen, sollte man vielleicht mal einen VHS-Kurs „Makramee-Yoga“ andenken. Bondage-Massage gibt es ja schließlich auch schon.
Die ästhetische Komponente geht über das „sieht geil aus“ der sexuellen Bondage hinaus. Körper und Fesseln werden zu einem Kunstwerk, noch mehr, wenn das richtige Licht hinzukommt und alles in einem Foto eingefangen ist. Der Rigger kommt in seinen Flow, wenn sich die Seile richtig legen, die Knoten sitzen und das Gesamtergebnis das Auge erfreut, im Gesamtüberblick wie im Detail. Die gewählte Position, Art und Ausführung der Bondage und das Setting erzeugen eine spezifische Wirkung und Aussage. Auch auf Seiten der Begünstigten spielt die Ästhetik eine Rolle, werden Fesseln zu Schmuck- oder Kleidungsstücken, die das eigene Aussehen unterstreichen und verschönern. Sie helfen unter Umständen dadurch, den Alltag abzustreifen und in eine andere Rolle zu schlüpfen. Aber das ist eine andere Geschichte.