Der Seidenschal als Augenbinde gehört schon so sehr zu den normalen Schlafzimmerspielen, dass ihn wohl kaum noch jemand als dem BDSM-Bereich zugehörig empfindet. Prickelnde Abwechslung, ja, aber doch überhaupt nicht mit den sprichwörtlichen Peitschen und Ketten der schwarzen Szene zu vergleichen, oder?
Dabei gehört das Verbinden der Augen zu den interessantesten und wirkungsvollsten Fesselungsvarianten.
Der Mensch ist in erster Linie ein Augentier. Kann er nicht mehr sehen, so ist er auf seine anderen Sinne zurückgeworfen. Beschränkt auf Hören, Riechen, Fühlen und Schmecken nimmt er seine Umgebung ganz anders wahr und entdeckt auch seinen Partner ganz neu. Selbst ohne jede weitere Fessel ist eine Augenbinde alleine schon eine sehr intensive Form von Bondage. Man weiß nicht, ob jemand und wer einen gerade anschaut. Jede Bewegung erfordert Vorsicht und Überlegung. Noch spannender wird es, soll man in diesem Zustand eine Aufgabe ausführen oder will man etwas Alltägliches tun – und sei es nur, den Stuhl heranzuziehen und sich an den Tisch zu setzen.
Eine Augenbinde eröffnet so viele Möglichkeiten für interessante Spiele, als einziges Bondageutensil ebenso wie als Ergänzung zu weniger restriktiven Fesselungen, die dem/der Begünstigten ein gewisses Maß an Bewegungsfreiheit lassen. Natürlich könnte der/die Trägerin die Binde einfach abnehmen. Sofern er oder sie sie nicht freiwillig auflassen will, hilft das Androhen einer Strafe oder in hartnäckigen Fällen ein Schloss an der Schnalle.
In Verbindung mit einer umfassenderen Bondage intensivieren verbundene Augen diese, verstärken das Gefühl der Hilflosigkeit und des Ausgeliefertseins. Ebenso erleichtert es bei der meditativeren Form der Bondage eine Augenbinde, sich fallen zu lassen, weil sie die Umwelt aussperrt. So macht sie eine Fesselung für Begünstigte und häufig auch den Rigger vollständiger. Außerdem erschwert sie ein Entkommen aus der Bondage.
In der Praxis existieren zahlreiche Methoden, das Sehvermögen während eines Spiels einzuschränken. Die Spanne reicht vom Tuch über die Schlafmaske bis hin zur Maske oder Haube aus Leder, Latex oder Lycra aus dem einschlägigen Fachhandel. Gut geeignet sind Mullbinden oder Heftpflaster (eher Leukosilk als Leukoplast), mit Vorsicht eingesetzt auch Klebeband. Bei der Autofahrt oder beim Spaziergang ist eine innen geschwärzte Sonnenbrille mit breiten Seitenstegen eine interessante Alternative. Die ganz luxuriöse Variante schließlich sind opake Kontaktlinsen, die ihre(n) Träger/in absolut blind machen, ohne dass dies von außen sichtbar ist.