Montag, 14. April 2014

Aber sicher doch

Ich hatte ja neulich schon über den neuen Anlauf berichtet, das Internet zum Kindernet zu machen. Deutsch sein heißt eben immer noch, eine Sache um ihrer selbst willen zu tun, und wenn die ganze Welt dagegen steht. Das ist die Crux des Ganzen, die jeden betrifft, der Inhalte in deutscher Sprache verbreiten will und keine Rechtsabteilung im Rücken hat:

„In der traditionellen Medienproduktion – Film, Rundfunk, Fernsehen, Zeitungen – sind die Produktionskosten so hoch, daß Inhalte nur kommerziell verwertbar angeboten werden und der Anbieter damit gezwungen ist, sich unter ein Bewertungsregime zu unterwerfen, um seine Produktionskosten wieder herein zu bekommen. Also überhaupt sich mit dem JMStV auseinander zu setzen und sich um eine möglichst niedrige Einstufung zu kümmern, damit seine Zielgruppengröße maximiert ist.

Aber für ein Blog und andere Internetmedien ist das schlicht mehr wahr. Damit fehlt die Motivation, seine Inhalte möglichst niedrig einzustufen, oder gar überhaupt einzustufen, denn keine Einstufung entspricht ‚ab 18’.

Die traditionellen Jugendschützer wollen das kompensieren, indem sie für ‚ab 18’ einen Haufen sinnlosen Overhead erzeugen – einen Jugendschutzbeauftragten benennen, Zugang nur nach Registrierung mit dem nPA und anderen Unsinn. Alles, was sie damit erreichen, ist Blogs und andere ‚nebenbei erzeugte’ Inhalte in deutscher Sprache abzumurksen.“

Aber es wird natürlich noch besser: Inzwischen stehen vorinstallierte Filter für alle Internetanschlüsse nach englischem Vorbild im Forderungskatalog, ungeachtet der vielfach bewiesenen Tatsache, dass sich soziale Probleme nicht mit technischen Mitteln lösen lassen. Dass damit die Axt an die Meinungs- und Informationsfreiheit gelegt wird, wird dabei anscheinend bewusst in Kauf genommen. Zudem wird auch schon unverhohlen angekündigt, dass die Freiwilligkeit der Kennzeichnung ganz schnell zur Kennzeichnungspflicht werden kann, sobald ein passender Anlass dafür da ist. Ein neuer Amoklauf, und schon ist die Filter-Infrastruktur begründet … Immerhin steigt dann vermutlich die Medienkompetenz von Kindern und Eltern, wenn sie dann zwangsläufig lernen, wie man mit Zensurmaßnahmen umgeht und sie auch umgeht, wenn das „offizielle Internet“ nur aus einer Auswahl einheimischer Websites und den internationalen Angeboten besteht, die sich um eine für Deutschland konforme Einstufung bemühen. Aber eventuell sind es ja nicht nur politische Gründe, Mauern hochzuziehen, sondern auch kommerzielle: Schließlich haben geprüfte und zugelassene Anbieter dann die große und kaufkräftigen Zielgruppe der Kinder und Jugendlichen für sich, und ganz nebenbei verschafft das neue Regelungsdickicht jeder Menge Juristen und Beratern ein Auskommen.

Ein anderes Dauerthema ist die Vorratsdatendatenspeicherung. Auch wenn der Europäische Gerichtshof vor kurzem die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung eingestampft hat, heißt das nicht, dass das Thema damit erledigt ist. Zu groß sind die Begehrlichkeiten auf nationaler und internationaler Ebene, als dass hier nicht wieder neue Anläufe unternommen würden – das zeigt schon die bisherige Geschichte. Ein postuliertes „Grundrecht auf Sicherheit“ lässt sich ausgezeichnet dazu einsetzen, die Freiheit einzuschränken. Wie das aussehen kann, zeigen wieder einmal die USA, wo der präventive Polizeistaat à la „Minority Report“ längst keine Fiktion mehr ist. So hat mittlerweile ein Gericht bestätigt, dass die Polizei aufgrund gesammelter Daten und davon abgeleiteter Prognosen tätig werden darf, bevor überhaupt irgend etwas passiert ist.

In Europa kann man wenigstens bei der nächsten Europawahl versuchen, ein wenig gegenzusteuern. Deshalb ruft Jacob Appelbaum dazu auf, gegen flächendeckende, unkontrollierte Überwachungsmaßnahmen aktiv zu werden, denn „Mass surveillance creates mass fear.“ – wer ständig beobachtet wird, benimmt sich und lebt anders als jemand, dem nicht ständig Big Brother über die Schulter schaut und Verdachtsmomente konstruiert:

(Video mit Untertiteln in mehreren Sprachen)

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