Mittwoch, 26. Dezember 2007

Weißer Nachmittag

Der Spreadeagle hat viele Gesichter. Zunächst eine offene, direkt auf Sex ausgerichtete Bondage-Position, kann sich seine Anwendung in eine ganz andere Richtung entwickeln. Abermals ein Beispiel aus eigenem Erleben: Es war ein Samstag im Herbst, wir hatten das ganze Wochenende Zeit füreinander. Draußen war es trüb und nasskalt, drinnen der Ofen angeheizt und das Zimmer schön warm. Ein idealer Zeitpunkt für eine Session, die sich dann kontinuierlich vom frühen Nachmittag bis in den Abend hinein zog.

Die Bondage dafür war eine Mischung aus heftig und weniger heftig: Ich hatte meine Partnerin mit Hand- und Fußschellen an die Bettpfosten angehängt, die Ketten waren jedoch lang genug, um einen gewissen Bewegungsspielraum zu gewähren. Ihre Augen hatte ich nur mit jeweils zwei Streifen Leukosilk geschlossen, dafür bestand ihr Knebel aus einem mundfüllendem, zum Ball gerollten Tuch und etlichen Pflasterstreifen über Mundpartie und Kinn. Letzteres nicht nur der Schalldämmung wegen, sondern auch um ihre Neigung zu festen Bissen im Zaum zu halten. Sie konnte nichts sehen, nichts sagen, sich nur begrenzt bewegen, aber dafür voll auf das konzentrieren, was mit ihr geschah.

Angedacht war diese Position natürlich mit eindeutiger Stoßrichtung, und wir haben währenddessen auch tatsächlich ein paar Mal miteinander geschlafen. Interessanter war, was sich in der übrigen Zeit abspielte. Streicheln und Kuscheln, Kitzeln und Zupacken, und immer wieder Phasen der Ruhe. Ich begann, ihr eine Geschichte zu erzählen, in der sie die Hauptrolle spielte, ein wildes Garn mit Piraten und Entführungen, untermalt mit passenden Berührungen. Dabei konnte ich spüren, wie sie sich in die Geschichte fallen ließ, die Ketten nicht als Anker in der Realität, sondern als Weg in die Fantasie nutzend.

Später kam ich auf Tätowierungen und Körperbemalungen zu sprechen. Dabei griff ich zum Stift und begann, angefangen bei ihren Füßen, auf ihrem ganzen Körper Muster und Figuren zu zeichnen. Natürlich mit einem wasserfesten Stift, wie ich ihr versicherte. Nach dem ersten Schreck war sie begierig zu hören, welches Motiv ich gerade in Angriff nahm. Als ich sie später losmachte, war sie ehrlich enttäuscht, dass ich sie nicht wirklich von Kopf bis Fuß bemalt, sondern nur mit einem stumpfen Buntstift und wohl gewählten Worten die Illusion davon erzeugt hatte.

Für uns war das später der „weiße Nachmittag“. Dies nicht nur, weil die minimalistische Augenbinde einen gewissen Grad an Helligkeit durchließ, sondern auch, weil meine Partnerin den Nachmittag als „weißes Fliegen“ in Erinnerung behalten hat. Während der gesamten Session glitt sie ständig in den Subspace und wieder hinaus und durchlebte die gesamte Zeit wohlig-entspannt. Bei dieser Session spielte der meditative Aspekt eine mindestens so große Rolle wie der sexuelle. Wir waren beide in einem Flow, der uns nebeneinander und miteinander durch den Nachmittag trug.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Beneidenswert!
Hört sich toll an, besonders die Piratengeschichten...