Montag, 4. Februar 2008

Rollenspiel – die Praxis

Da die Grundlagen des Rollenspiels nun bekannt sind: Wie setzt man jetzt als unbeleckter Einsteiger so etwas in die Realität um? Genau wie bei anderen Aspekten von Bondage und BDSM ist es sinnvoll, sich Schritt für Schritt an diese Spielvariante heranzutasten.

Fürs erste sollten alle Beteiligten die Latte nicht zu hoch setzen. Es muss nicht gleich die bis ins Letzte ausgearbeitete, hochkomplexe und vom eigenen Ich möglichst weit entfernte Persona sein, die bei der Premiere an den Start geht. Viel eher eignen sich für den Anfang die einfachen, schemenhaft angelegten und sogar klischeehaften Rollen wie „Pirat und Prinzessin“ oder „Indianerin und gefangenes Bleichgesicht“. Das können und dürfen Rollen aus Kindheitserinnerungen und Tagträumen sein, inspiriert von Filmen und Romanen: Auf jeden Fall Figuren, die man gerne einmal wäre und die die eigene Fantasie ebenso anregen wie die des Gegenübers.

Gerade bei den ersten Versuchen sollte man dabei Rollen aus dem Weg gehen, die einen in angstbesetzte Situationen führen – wohliger Schrecken kann recht unverhofft in einem Absturz münden. Es ist besser, sich seine Rolle selbst zu suchen, statt nur den Wunschzettel des Partners abzuarbeiten. In eine Rolle, die einem nicht liegt, findet man sich nur schwer hinein und fällt um so schneller wieder hinaus.

Schon unter vier Augen können die ersten Rollenspiel-Versuche eine gewisse Herausforderung darstellen. Da sollte man nicht noch einen zusätzlichen Stressfaktor einbauen, indem man im öffentlichen Raum spielt. Auch wenn Ausgangssituationen wie „Zwei Fremde in der Hotelbar“ oder „Kaufhausdetektiv und Diebin“ spannende Möglichkeiten eröffnen: Ihre Umsetzung an realen Orten sollte einer Zeit vorbehalten sein, in der die Spielpartner sich in ihren Rollen und dieser Situation wohlfühlen.

Nichts ist tödlicher für ein erotisches Rollenspiel als ein minutiös ausgearbeitetes Drehbuch, mit dem womöglich nur einer der Mitspieler den Ablauf auf Basis seiner Fantasien haarklein festlegen will. Die Spielpartner können ihre individuellen Anteile nur einbringen, wenn sie den nötigen Raum dazu haben. Erst dann besteht die Chance, dass jeder neue und interessante Facetten an sich entdecken und die gewählte Rolle mit Leben erfüllen kann. Dies verringert zudem die Gefahr, dass einer der Beteiligten aus dem Spiel katapultiert wird, weil er sich zu sehr verbiegen muss, um die vorgeschriebene Rolle abzuarbeiten. Ein mit groben Strichen gezeichnetes Szenario als Startpunkt ist erheblich spannender und eröffnet mehr Möglichkeiten. Je nach Ausgangssituation müssen nicht einmal beide Partner in eine fremde Rolle schlüpfen, es kann ausreichen, dass nur einer sich verwandelt.

Wie immer in einer Session ist hier das Offenhalten eines Notausgangs wichtig: Jeder kann abbrechen, wenn er es will. Ampel und Safeword gelten uneingeschränkt, doch kann man sich gerade in einer Rollenspielsituation auch elegant aus der Affäre ziehen: Der verkörperte Charakter verabschiedet sich, geht unter Umständen tatsächlich und kehrt wenig später als der vertraute Partner zurück. Umgekehrt erlaubt eine Rolle so den nahtlosen Wiedereinstieg in die Spielsituation: Da steht etwa unverhofft der Inspektor vor der Tür und hat nur noch ein paar Fragen.

Sehr hilfreich beim Finden und Hineinschlüpfen in eine Rolle ist es, der verkörperten Figur einen Namen zu geben und sich tatsächlich so ansprechen zu lassen. Auch die zur Rolle passende Kleidung unterstützt das Spiel. So fällt es mir im dreiteiligen Anzug erheblich leichter, Gabriel zu sein, als in Jeans und T-Shirt. Das muss gar kein aufwendiges Kostüm sein, wenige Accessoires reichen aus, um eine Figur einzufangen.

Besonders am Anfang ist es sinnvoll, das im Rollenspiel Erlebte anschließend gemeinsam zu reflektieren: Wie ging es einem selbst, wie ging es dem Gegenüber, wie kam die eigene Rolle beim Partner an und umgekehrt, was waren die Highlights und wo wurde es krampfig… Dies erleichtert es, einen gemeinsamen Weg zu finden, ermöglicht eine bessere Ausarbeitung der Rollenfiguren und erhöht langfristig den Spaß an der Sache.

Sonntag, 3. Februar 2008

Rollenspiel: Einfach jemand anders sein

Wie ich schon andeutete, kann eine Session je nach Anlass und Temperament unterschiedlich stark ausgeprägte Rollenspiel-Elemente enthalten. Dabei geht es weniger um das Rollenspiel im pädagogischen und psychologischen Sinn als um die Variante in der Nachfolge von Indianerspielen aus Kindertagen oder den elaborierten Welten von Fantasy-Spielen à la „Dungeons & Dragons“. Wer solche Spiele schätzt, nutzt ihre Möglichkeiten gerne auf vielen Ebenen, um der eigenen Kreativität freien Lauf zu lassen. Nicht umsonst existiert eine stattliche Schnittmenge zwischen BDSMern und LARPern.

Schon bei der klassischen Pen & Paper-Variante haben die Spieler eine erhebliche Bandbreite in der Art des Rollenspiels. Die Spanne reicht von „Tür auf, Monster plätten, Tür zu, Erfahrungspunkte eintragen“ bis zum Aufgehen im über mehrere Kampagnen liebevoll ausgearbeiteten Charakter des goldhungrigen Zwerges, der beim Anblick des Schatzhaufens in der Höhle den darauf schlummernden Drachen glatt übersieht. Mindestens ebenso groß sind die Variationsmöglichkeiten im erotischen Kontext.

So lässt sich auch hier ein einzelnes, einfaches Szenario durchspielen, etwa „Entführung“. Da gibt es Absprachen, „Wegpunkte“ gewissermassen, was passiert, eventuell auch, wie es passiert. Die „Rollen“ beschränken sich auf die Funktionen der Beteiligten, „Entführer“ und „Opfer“. Es gibt keine große charakterliche Entwicklung, Verhaltensweisen und eventuelle Dialoge leiten sich aus dem Klischeefundus von Film und Fernsehen her. Keiner macht sich einen großen Kopf, weil es um elementare Befriedigung mit ein bisschen Deko geht: Die härtere Version des fürs Schlafzimmer ausgeliehenen Krankenschwestern-Kostümchens sozusagen.

Am anderen Ende der Skala steht ein Rollenspiel, in dem die Beteiligten tatsächlich in ihrer Rolle sind. Sie müssen sich nicht überlegen, wie der jeweilige Charakter jetzt handeln würde, weil sie vollständig in character sind. Das ist dann z. B. nicht mehr Jester, der gerade so tut, als wäre er der große Schurke – in dem Moment ist er Gabriel, der eine Schuld eintreibt und keine Probleme damit hat, dass er das auf die harte Tour machen muss. Das ist durchaus ein wenig wie method acting.

Solche Rollen sind echte Charaktere, selbst wenn sie aus einer Augenblickslaune entstanden und anfangs noch sehr schemenhaft sind: Sie entwickeln sich, bekommen Gestalt, Persönlichkeit und Hintergrund, so wie Romanfiguren beim Schreiben eines Romans ein Eigenleben entwickeln und plötzlich ganz andere Pfade einschlagen können, als es der Autor ursprünglich geplant hat.

Ein derart durchgebildeter Rollencharakter kann Dinge tun, die sein „Schöpfer“ nicht unbedingt tun würde, hat ganz eigene Vorlieben und Abneigungen. Er reagiert und interagiert auf Basis seines Hintergrundes und Charakters.

So eine Art von Rolle ist meiner Erfahrung nach nicht ganz einfach zu „spielen“. Man kann nicht immer in sie fallen, es braucht zuweilen die passenden Umstände, damit dieser Charakter an die Oberfläche kommt und das Ruder übernimmt. Ist er da, kann es für das Gegenüber sehr interessant werden, weil dann tatsächlich jemand anders als der gewohnte Partner zum Spielen da ist.

Dieser spezielle Switch kann sich sogar mitten im Spiel ereignen, er kann durch die passenden Accessoires ausgelöst werden, er kann aber auch nach Drehbuch geschehen. Unter „Drehbuch“ sollte man sich nicht unbedingt ein ausformuliertes Skript vorstellen. Manchmal ist es nicht einmal ein Treatment, sondern nur ein eine Ausgangssituation beschreibender Satz wie „Morgen abend kommt Ivy zu Besuch“. Den Rest übernehmen die Charaktere.

Ein Rollenspiel kann sich so über die aktuelle Situation hinaus erstrecken, mit offenem Ende. Es kann eine ganze Nacht oder ein ganzes Wochenende dauern, bis irgendwann einer der Beteiligten seinen Charakter wieder schlafen schickt und selbst aus dem Spiel auftaucht.

Zwischen den geschilderten Extremen gibt es viele Abstufungen, auch abhängig von der Definition von „Rolle“. Schon szeneübliches D/S und Top/Bottom ist ja eine Art von Rollenspiel („naturveranlagt“ halte ich für ein Gerücht). Auch die Persona, die Menschen online in Foren oder Chats präsentieren, dürfte sehr häufig zumindest anteilig eine Rolle sein.

Persönliches Beispiel: „Jester“ war vor mehr als zehn Jahren ein Verlegenheitsnick, weil mir auf die Schnelle nichts anderes eingefallen ist. Inzwischen ist daraus ein Charakter geworden, den ich mir bequem überstreifen kann. Natürlich hat „Jester“ viele Elemente meiner realen Persönlichkeit. Zugleich ist „Jester“ aber gerade im Chat zu einem gewissen Grad auch eine Rolle, die ich spiele. Der Hofnarr hat seine eigenen Manierismen, seine Sicht die Dinge zu betrachten, seine Art Dialoge zu führen – und die verdankt er u.a. seinem filmischen Vorbild und dessen Gegenspieler, auch wenn er in den vergangenen Jahren eine Menge eigene Züge entwickelt hat.

Eigentlich bin ich ja ganz anders, ich komme nur so selten dazu.
(Ödön von Horváth)

Alles muss sich ändern…

… damit es bleibt, wie es ist: Clu schreibt über veränderte Neigungen im Laufe einer BDSM-Beziehung und die Vorzüge gemeinsam entwickelter Sessions. Beides deckt sich mit meinen Erfahrungen. Und ich hatte nie das Problem mit „Wunschzettelsubs“, das anscheinend etliche Vertreter der dominanten Fraktion haben. Das C in SSC erstreckt sich nun mal auf die Vorbereitung des Spiels, wenn alle Beteiligten auf Dauer etwas davon haben sollen. Wie soll Top anders die Wünsche und Sehnsüchte von Spielpartnern erfahren und damit auch für seine Ideen nutzbar machen?

Mittwoch, 30. Januar 2008

Auf die Reihenfolge kommt es an

Die lieben Klischees, die Vanillas über BDSMer pflegen… Aus einem Forum: „Hatte gestern mit (…) ein wenig im Chat drüber geredet und der dachte doch gleich an Masken mit Nieten (…)“

Wobei es in der Szene immerhin einen erheblichen Anteil von Nieten mit Masken gibt.

Sonntag, 27. Januar 2008

Hören und Fürchten bei Nacht

Monk macht mit einer Begünstigten einen Ausflug aufs Abstellgleis. Spannend.

Schick mit Botschaft

Für alle, die ihr Herz nicht auf der Zunge, sondern auf der Brust tragen: Artful Surrender verkauft unaufdringliche Tank Tops, T-Shirts und Sweatshirts mit netten Slogans wie „what's a little bondage between friends?“, „don't make me get my handcuffs“ oder „what was that safe word again?“. Alle Sprüche gibt es übrigens auch als Aufkleber und Kühlschrank-Magneten.

Bond-Girl in Bondage

Gut, das kommt öfter vor, erinnert sei nur an Barbara Bach in The Spy Who Loved Me. Aber beim neuen Bond-Girl Olga Kurylenko liegt der Fall etwas anders. Das ins Schauspielfach gewechselte Fotomodell kam im französischen Thriller Le Serpent in den Genuss einer längeren und komplexen japanischen Bondage.

Im Video für FHM anlässlich der damaligen Premiere erzählt Olga Kurylenko, wie Regisseur Éric Barbier ihr zur Einstimmung auf die Szenen einen Bildband von Nobuyoshi Araki zeigte, und wie sehr ihr die Bilder gefallen haben. Für die Bondageszenen hatte Barbier eigens einen Shibari-Experten engagiert, der Olga Kurylenko fachgerecht verschnürte. Als gewalttätig hat sie das Shibari nicht empfunden, sondern als schön, „wie einen Badeanzug aus Seilen“. Erheblich heftiger fand sie stattdessen die Szene, als ihre Hände in Plastiktüten und Klebeband eingepackt wurden. Bondage im japanischen Stil sieht sie dagegen als Kunstform an.

Wer neugierig ist: Das FHM-Video lässt ein paar einschlägige Szenen aufblitzen.